Liebe Leserinnen und Leser,

noch mal fix um den Block vor dem abendlichen Ausgangsverbot oder dem nächsten Schneeschauer? Bitte Vorsicht! Pandemiekonformes Distanzhalten ist auf den meisten Gehwegen schwierig bis unmöglich, denn da diese oft gerade mal so breit sind wie ein Badehandtuch, sieht es schlecht aus für den gebührenden Abstand zu Entgegenkommenden.

Aber noch ein weiteres Phänomen erschwert das Zufußgehen erheblich: das Smartphone. Beziehungsweise Menschen, deren Aufmerksamkeit davon dermaßen gefesselt ist, dass sie nicht auf die Umgebung achten. Der Verkehrsfluss gerät ins Stocken, es kommt zu Staus, abrupten Ausweichmanövern und sogar Unfällen, wenn Straßen achtlos überquert oder herannahende Straßenbahnen überhört werden.

Die normalerweise gut funktionierende Selbstorganisation von Menschenmengen, haben Forscher aus Japan festgestellt, gerät im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Tritt. Wie sich in Experimenten zeigte, reichen selbst in dem so disziplinierten Land ein paar Smartphone-Junkies, um eine ganze Menschenmenge auszubremsen.

Die gute Nachricht: Mobilitätsverhalten aller Art lässt sich in Modellen gut darstellen und berechnen, egal ob sich Menschen im Auto, im öffentlichen Nahverkehr, per Rad oder zu Fuß fortbewegen, und man könnte Störungen mittels entsprechender Planung durchaus entgegenwirken. Zum Beispiel mit Warnhinweisen auf dem Boden, weil der Blick bei der Nutzung des Smartphones nach unten gerichtet ist. Dass Maßnahmen weder ewig lange geplant werden noch viel Geld kosten müssen, beweisen die vielerorts während des ersten Lockdowns eingerichteten Pop-up-Radwege: etwas Farbe, ein paar Verkehrszeichen, fertig. Und was man dafür alles kriegt! Bessere Luft, weniger Lärm, Bewegung, Klimaschutz…

Das Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) hat anhand von Daten aus 106 europäischen Städten mit Pop-up-Radwegen ermittelt, dass dort zwischen März und Juli 2020 elf bis 48 Prozent mehr Menschen radelten. Ein Teil davon hat offenbar erstaunlicherweise sogar seine private motorisierte Komfortzone verlassen. Manche Städte, zum Beispiel München, wollen nun die Provisorien zum Dauerzustand machen.

Auch die nächste Studie macht gute Laune. Wer sich nämlich aufs Fahrrad schwingt, schlägt in puncto Klimaschutz selbst E-Autos. Über einen Zeitraum von zwei Jahren befragten Forscher und Forscherinnen verschiedener Universitäten 4.000 Menschen in London, Antwerpen, Barcelona, Wien, Örebro, Rom und Zürich zu ihren täglich genutzten Verkehrsmitteln und berechneten die damit einhergehenden Emissionen. Ergebnis: Die CO2-Emissionen sind beim Fahrradfahren 30-mal niedriger als die von Diesel- oder Benzinautos und zehnmal niedriger als die eines Elektroautos – Lebensdauer, Anschaffungs- und Entsorgungskosten des fahrbaren Untersatzes sind einbezogen.

Kurzer Schwenk zum anderen Ende des Spektrums: Es wird niemanden überraschen, dass Vielflieger das Klima am meisten schädigen. Auch dazu gibt es natürlich Studien. Eine davon hat ergeben, dass nur ein Prozent der Weltbevölkerung für die Hälfte aller CO2-Emissionen durch den Flugverkehr verantwortlich ist – während 90 Prozent aller Erdlinge überhaupt nie fliegen.

Einer Umfrage im Auftrag von Germanwatch zufolge fällt es den Deutschen übrigens schwerer als den Befragten in Frankreich, Polen und den Niederlanden, vom Flugzeug in die Bahn umzusteigen. Im Moment aus naheliegenden Gründen noch schwerer als sonst. 2020 ging der Personenfernverkehr der Bahn zeitweise um 90 Prozent zurück, der ÖPNV um 70 Prozent.

Sofern Sie schon aufs Fahrrad umgestiegen sind, können Sie dem Trend auch noch auf andere Art nachhelfen: Pop-up-Radwege und Tempo 30 am jeweiligen Wohnort beantragen oder auch die zehn Forderungen des VCD (Verkehrsclub Deutschland) an die nächste Bundesregierung unterstützen. Da steht zwar nirgends, dass wir dringend einen anderen Verkehrsminister oder eine andere Verkehrsministerin brauchen. Aber das wird sich von ganz allein ergeben.

So, jetzt wünsche ich gute Fahrt ins Wochenende. Oder einen möglichst smartphonefreien Spaziergang.

Unterschrift

Kerstin Eitner
Redakteurin