Goldschmuck könnte nachhaltig sein, weil er seit Jahrtausenden im Kreislauf geführt wird. Tatsächlich aber leiden beim Abbau alle: die Menschen, die Umwelt, das Klima. Siegel versprechen Abhilfe.

Vor Kurzem hat sich Desirée Binternagel mit Schmuckschaffenden getroffen. Es war ein Abend, bei dem es auch um das Los der Arbeiter in den Minen ging und welche Rolle Goldschmiede dabei spielen. Viele würden gern ökofaires Gold verarbeiten, erfuhr Binternagel. Doch weil es keine Nachfrage für nachhaltige Ringe oder Ketten gebe, könne man wenig ändern, heißt es oft. Dafür hat sie kein Verständnis. „Wenn man in dieser Branche arbeitet, trägt man eine Verantwortung und darf nicht nur konventionelle Ware anbieten.“ Binternagel ist Geschäftsführerin von „Fairever“ in Leipzig, dem nach eigener Aussage weltweit einzigen Händler, der ausschließlich ökofaires Gold und Silber bezieht und an Designer verkauft. Mit dreizehn Minen arbeitet sie aktuell zusammen, etwa in Peru und Kolumbien. Ihre Aufgabe ist es, nicht nur mit den Managern vor Ort zu sprechen, sondern auch mit den Arbeitern, die in die Tunnel hinabsteigen. Ihnen will sie helfen. „Wir möchten die Lebensbedingungen von möglichst vielen Menschen verbessern.“

4750 vor Christus wurde Gold erstmals zu Schmuck verarbeitet und Gräbern beigegeben. Funde nahe der Stadt Warna an der Schwarzmeerküste des heutigen Bulgariens belegen das. Seitdem ist der Rohstoff begehrt, wird in Tresoren gelagert, gehandelt, eingeschmolzen und neu verarbeitet.

Nachfrage ungebremst

Diese Kreislaufwirtschaft könnte das Edelmetall zu einem durch und durch nachhaltigen machen. Zu einem Musterbeispiel dafür, wie der Umgang mit endlichen Ressourcen aussehen sollte, glänzt nichts an dem globalen Geschäft. Untersuchungen zeigen, dass alle leiden: die Menschen, die Umwelt und das Klima.

Und das größtenteils für Schmuck: 2022 ging fast die Hälfte der jährlichen Goldproduktion in diese Branche. Aus einem Viertel wurden Barren und Münzen gefertigt, zwanzig Prozent landeten bei Zentralbanken, sieben Prozent wurden für die Fertigung von Smartphones und anderen Technologien verwendet.

Gift landet in Flüssen. Die Herstellung lässt sich grob in zwei Stränge aufteilen: in den industriellen Bergbau, der von internationalen Konzernen bestimmt wird und etwa achtzig Prozent der jährlich gewonnenen Menge produziert, und in den Kleinbergbau, in dem neunzig Prozent aller Goldgräber weltweit arbeiten und von dem Schätzungen zufolge 150 Millionen Menschen abhängig sind. Dahinter stecken kleine und mittlere Betriebe oder Tagelöhner ohne festes Einkommen. Sie jagen ihrem Glück nach, mit wenig mehr als ihren bloßen Händen.

Diese Schürfer riskieren häufig ihr Leben. Um Funde vom übrigen Geröll zu trennen, lösen sie Quecksilber in Wasser auf – die weißsilbrige Flüssigkeit haftet beim Waschen am Gold und macht es identifizierbar. Das überschüssige Quecksilber an den Klumpen verbrennen sie. Atmen sie die Dämpfe ein, tragen sie bleibende Schäden davon. Für das Herz, die Nieren und das Nervensystem reichen schon kleine Mengen. Bis zu 19 Millionen Goldgräber sollen unter Vergiftungen leiden. Dazu kommen die ebenfalls eingesetzten Stoffe Blei, Kadmium, Zink und Kupfer, die über offene Müllhalden in die Böden und Gewässer gelangen, aus denen Anwohnende ihre Nahrung beziehen.

Auch andere Aspekte sind bedenklich. Pro Kilogramm Gold werden im Schnitt 265.000 Liter Wasser verwendet und tausend Tonnen Erde bewegt. Oft werden Indigene von ihrem Land vertrieben, zudem ist der Goldrausch ein Nährboden für Korruption. Es ist eine Entwicklung, die zugenommen hat. Weil einstige Quellen nicht mehr so reichhaltig sind, breitet sich die Produktion im globalen Süden aus. Dass die dortigen Vorkommen geringer und deshalb schwerer zu fördern sind, hält Goldsucher nicht ab.

Allerdings zieht der steigende Energieaufwand mehr CO2-Emissionen nach sich. Forschende und das World Gold Council haben errechnet, dass der Ausstoß pro Kilo Gold zwischen 1991 und 2006 im Schnitt bei 11.500 Kilogramm CO2-Äquivalenten lag – 2019 waren es bereits 28.700 Kilogramm. Zugleich werden Bäume gerodet, um Platz für die Minen zu machen: Der Goldtagebau soll für sieben Prozent der Entwaldungen in Entwicklungsländern verantwortlich sein.

<p>Seit Tausenden von Jahren wird Gold immer wieder eingeschmolzen und neu verarbeitet. Das ist besser für Natur und Klima, es gibt aber auch Kritik.</p>

Seit Tausenden von Jahren wird Gold immer wieder eingeschmolzen und neu verarbeitet. Das ist besser für Natur und Klima, es gibt aber auch Kritik.

Käufer, die diese Missstände nicht fördern wollen, haben zwei Möglichkeiten. Sie können recyceltes Gold wählen – im Vergleich zur Neuware wird hier nur ein Bruchteil an Wasser verbraucht und CO2 emittiert. Oder sie achten auf Siegel wie Fairtrade und Fairmined. Für Desirée Binternagel von Fairever ist die Antwort eindeutig. „Im Kleinbergbau ist der Impact durch die beiden Siegel riesig“, sagt sie. „Die Arbeiter bekommen selbst bei Krankheit ein Gehalt, sind versichert und haben Anspruch auf Rente – für sie ist das ein Sechser im Lotto.“ Zudem bauen die Betreiber Alternativen auf, weil sie wissen, dass ihre Goldvorräte endlich sind. Sie züchten Forellen oder Alpakas, renaturieren Flächen oder bauen Kaffee an.

Leicht fällt der Schritt zu einer ökofairen Mine aber nicht. Es gilt, Kriterien in vier Bereichen zu erfüllen: Das Management muss die Arbeitsbedingungen verbessern sowie Schutzkleidung und Sicherheitstrainings anbieten. Es muss die Organisation entwickeln und langfristige Partnerschaften aufbauen. Es muss die Umwelt schützen. Und es muss sozial tätig werden, um etwa Kinderarbeit auszuschließen.

Olga Rojas ist Sprecherin der Alliance for Responsible Mining (ARM) in der kolumbianischen Stadt Envigado, südlich von Medellín. Sie begleitet die Umstellung und sagt, dass schon etliche Fortschritte erzielt worden seien. Trotzdem blieben große Aufgaben: Die Betreiber müssten.

Kapital in den Prozess, die Audits und die jährliche Bestätigung ihrer Zertifizierung stecken – und hoffen, dass sich ihr Investment auszahlt. „Entscheidend ist, bindende Zusagen aus der Industrie für die Abnahme der fairen Waren zu bekommen.“ Gelingt das, erhalten die Arbeiterinnen und Arbeiter einen höheren Preis und entscheiden kollektiv, ob sie mit dem Überschuss Solarpanels installieren, Duschen bauen oder die lokale Schule unterstützen wollen. Gelingt das nicht, fällt alles wieder in sich zusammen. „Dann lassen sich weder die Arbeitsbedingungen noch die sozialen Projekte aufrechterhalten.“

Und momentan sieht es nicht rosig aus. Aufgrund der globalen Krisen und der zunehmenden Armut würden neue Gemeinden anfangen, Rohstoffe auszubeuten, ohne auf die Nachhaltigkeit zu achten, sagt Olga Rojas. Zudem ist das Angebot an ökofairem Gold derzeit größer als die Nachfrage. Die Minen werden ihre Ware nicht los. Als Desirée Binternagel im September in Kolumbien war, erfuhr sie von einem Betreiber, dass dessen letzter Fairmined-Verkauf mehr als sechs Monate zurücklag. „Alles, was die Mine seitdem produziert hat, musste sie zum normalen Preis verkaufen, ohne Aufschlag.“

Jan Spille glaubt, dass es bald aufwärts geht. „Corona hat dem Markt zugesetzt“, sagt er, jetzt aber spüre er ein wieder wachsendes Interesse. Der Goldschmied verarbeitet ökofaire Rohstoffe seit zwanzig Jahren. Viele Male ist er nach Asien, Afrika und Südamerika gereist, um die Herkunft seiner Ware zu prüfen. Für ihn ist die direkte Zusammenarbeit der beste Weg, die Probleme anzugehen. Zugleich sagt er: „Es gibt nicht die eine Lösung, es braucht verschiedene Antworten.“ In seinem Geschäft in Hamburg bietet er deshalb auch Recyclingware an.

Goldpreis hoch wie nie

Allerdings achtet er darauf, dass diese nur aus hauseigenem Upcycling stammt. Große Scheideanstalten meidet er. Die würden sich immer häufiger als nachhaltig bezeichnen – „das ist aber Greenwashing“, so Spille. „Eine ganze Branche gibt sich gerade einen grünen Anstrich, ändert aber nichts an ihrem Konzept und hat immer schon das gemacht, was sie heute Recycling nennt.“ Das Problem: Woher das beim Scheiden gewonnene Gold stammt und ob es über zweifelhafte Handelswege nach Deutschland gekommen ist, lässt sich kaum nachvollziehen.

Er hält nichts davon, nur noch auf Recycling zu setzen. Britische Forschende haben diesen Gedanken vor einem Jahr mal durchgespielt. Wirtschaftlich möglich wäre es, sämtliche Minen zu schließen und nur noch das bereits existierende Gold zirkulieren zu lassen, so ihr Fazit. Damit aber wäre für die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Minen nichts gewonnen, sagt Jan Spille – schließlich könnten sie nicht einfach so einen anderen Job aufnehmen. Abgesehen davon: Seit fast 7000 Jahren jagen Menschen dem Rohstoff hinterher. Dieses Verlangen wird nicht so schnell nachlassen. Im Gegenteil. Noch nie in den vergangenen fünfzig Jahren war der Preis auf dem internationalen Markt so hoch wie heute. Von seiner Anziehungskraft hat Gold nichts eingebüßt – trotz der verheerenden Bedingungen, unter denen es meist gewonnen wird. Wer „gutes Gold“ will, muss also genau hinschauen.

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 2.24 "Böden". Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel, alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!

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