Wem gehört das Land? Das fragen wir in der Ausgabe des Greenpeace Magazins 2.19 „Tierrechte“ und stellen große Wildtiere vor, die nach Deutschland zurückkehren. Für unsere Online-Serie „Die Rückkehrer" haben wir einige dieser Tierporträts für Sie ausgewählt. Wir präsentieren Ihnen jede Woche eines – zusammen mit zwei neuen Geschichten über den Bär und den Luchs. Dabei treibt uns die Frage um, ob zurückkehrende Wildtiere eine Erfolgsstory der Natur oder eine Bedrohung für den Menschen sind. Finden Sie es heraus!

Die Schafe, die Volker Kruse mit einem Eimer Leckerlis an den Zaun lockt, wirken in der Draufsicht fast rund. Sie sind hochtragend und dazu in einen dicken, vom Nieselregen nassen Wollmantel gehüllt. Den Sommer über sind die wetterharten Tiere mit der Deichpflege in der Elbmarsch beschäftigt, im Winter grasen sie unweit von Kruses Hof bei Itzehoe auf einer Weide. Bald kommen die Lämmer.

500 Schafe hält er in fünf Herden. „Mein Lebenstraum“, sagt Kruse. Er ist tief besorgt: „Wir hätten nicht gedacht, dass es so schlimm wird in unserer Ecke.“ Das erste Schaf verlor er im August, das zweite im September; im Oktober gründete er mit neun anderen im Örtchen Westerhorn die „Bürgerinitiative für wolfsfreie Dörfer“. Doch Isegrim zeigte sich unbeeindruckt: Im November sprang er über einen 1,05 Meter hohen Elektrozaun, den das Land Schleswig-Holstein zur Verfügung gestellt hatte, und riss erneut zwei Schafe. Nun fürchtet Kruse, es werde bald Muttertiere erwischen.

150 Jahre lang hatte es große Raubtiere – besser: Beutegreifer – in Deutschland nicht gegeben, bis um die Jahrtausendwende die ersten, nun streng geschützten Wölfe aus Polen einwanderten. Seitdem durchstreifen von Jahr zu Jahr mehr Jungtiere auf der Suche nach Revier und Partner das Land: 2018 gab es bundesweit 73 Rudel, 13 mehr als im Vorjahr. Bayern meldete als sechstes Bundesland Wolfsnachwuchs.

Die Reaktion der Bevölkerung verläuft oft nach ähnlichem Muster: Tauchen die ersten Tiere auf, kochen die Emotionen hoch – dann heißt es, diese oder jene Region sei nun wirklich nicht für Wölfe geeignet. Etwa der Schwarzwald, wo im April ein Wolf, der sich in der Nähe von Bad Wildbad niedergelassen hat, vierzig Schafe riss. Können Beutetiere nicht flüchten, töten Wölfe zuweilen reflexartig viel mehr als sie fressen können – denkbar schlechte PR in eigener Sache.

Auf die erste Erregungswelle folgt aber meist eine pragmatischere Phase, in der Betroffene den Herdenschutz verbessern, was je nach Region und Form der Weidehaltung unterschiedliche Probleme aufwirft. Auch Wölfe lernen dazu: Wo Rudel mit erfahrenen Leittieren heimisch geworden sind, passiert oft weniger, sie halten sich instinktiv vom Menschen fern und reißen planmäßig Rehe, Hirsche und Wildschweine.

Trotzdem haben viele Menschen Angst vor den neuen Nachbarn. Jeder fünfte Deutsche fühlt sich bedroht, ergab jüngst eine Umfrage – obwohl seit der Rückkehr noch kein Wolf gegenüber Menschen aggressiv wurde. Politiker greifen die vermeintlich kippende Stimmung auf: Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) spricht plötzlich davon, eine „gemäßigte Bestandsregulierung selbst für streng geschützte Arten“ zu ermöglichen. Es wäre eine Abkehr von der Linie, die nach wie vor von der Mehrheit der Bevölkerung getragen wird – nämlich den Abschuss auf „Problemwölfe“ zu beschränken, die zu wenig Scheu zeigen oder die es, so wie auf der Weide von Kruses Schafen, gelernt haben, über Schutzzäune zu springen.

Wo große Wildtiere nach Deutschland zurückkehren, stellt sich die Frage der Koexistenz. Weitere Porträts solcher Rückkehrer finden Sie in der Ausgabe des Greenpeace Magazins 2.19 „Tierrechte“. Das Heft thematisiert das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel, alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!