Wegweiser

Stefanie Wenner

„Es öffnet den Blick, zu Fuß zu gehen.“
© Ruth WennerStefanie Wenner© Ruth Wenner

Lehr- und Wanderjahre einer Professorin

Mitten in der Pandemie beschloss Stefanie Wenner, etwas zu wagen. Etwas, das mit ihrem Alltag als Theaterprofessorin an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste wenig zu tun hat: Sie ging einfach los. „Ich will von der Lehrenden zur Lernenden werden“, sagt sie. „Um ins Gespräch zu kommen“, verkleidete sie sich als Wandergesellin und gelegentlich auch mal als Pilz – alles Teil einer Kunstperformance, mit der sie das Naturbewusstsein der Menschen stärken möchte. Drei Jahre und drei Tage soll ihre Wanderschaft dauern, unterteilt in Etappen, etwa vom nordöstlichen Brandenburg über Dresden durch das Vogtland, dann über Hof in die Nähe von Augsburg und durch die Rhön bis nach Kassel, oft besucht sie dabei Stationen ihres Lebens.

Im Sommer 2020 brach sie auf. Zehn Kilo Gepäck auf dem Rücken, Wanderstock, Schlafsack, kein Zelt. Sie übernachtete bei den Menschen, die sie traf. Auf den ersten Kilometern kannte sie noch jede Biegung, jeden Baum. Danach wurde es fremder.

Schöne Wanderwege und Naturschutzgebiete ließ sie links liegen. Sie durchschritt lieber Getreideund Maisfelder, Kiefernplantagen, Industrieanlagen und Windparks, vorbei an Autobahnen und Braunkohle tagebauen. „Diese Brutalität, mit der die Menschen die Landschaft formen, ist überwältigend. Normalerweise nehme ich all dies kaum wahr, wenn ich mit dem Zug hindurchrausche. Zu Fuß gehen öffnet den Blick“, sagt Wenner.

Aus ihren Eindrücken möchte sie später eine Installation machen, auf lange Sicht auch ein Theaterstück, um die Grenzen zwischen Kunst und Natur zu sprengen – „künstlerische Feldforschung“ nennt sie das. Dazu nimmt sie Industrielärm und Naturklänge auf, fotografiert rissige Böden und austrocknende Seen, sammelt Pflanzen. Sie schlief auf einem Hof, der auf Solidarische Landwirtschaft setzt, und bei einem brandenburgischen Schäferpaar, das ihr erzählte, wie die Schafe Pflanzensamen verteilen und wie Lausitzer Kohlebagger sich durch die Landschaft fressen.

Den Eingriffen in die Natur liege ein überkommenes Verständnis von Kultur zugrunde – die Vorstellung, dass der Mensch die Natur stets ordnen müsse, was Extremformen wie Monokulturen hervorbringe. Wenner sucht neue Vorbilder, Inspiration für ein Umdenken und wie man die Menschen zur Veränderung bewegt. „Ich glaube, dass dabei das Theater neue Erkenntnisse in das Alltagsbewusstsein bringen kann.“

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