Im schottischen Glasgow beginnt am kommenden Sonntag der nächste, mittlerweile 26. Internationale Klimagipfel (COP): das Treffen der Staats- und Regierungschefinnen und -chefs aus der ganzen Welt, bei dem gemeinsame Strategien zur Eindämmung der Klimakrise und ihrer Auswirkungen beschlossen und evaluiert werden. Doch was wird in Glasgow konkret verhandelt und welche Auswirkungen wird das auf den weltweiten Klimaschutz haben?

Auf Twitter kursiert ein ernüchterndes Schaubild, das die Aussichten auf die Klimakonferenz gewaltig dämpft: Es zeigt den globalen Emissionsanstieg der letzten 50 Jahre – und auf dieser kontinuierlich nach oben weisenden Kurve sind die wichtigsten internationalen Klimaverhandlungen markiert. Der Subtext: egal ob Kyoto-Protokoll, Kopenhagen oder Pariser Klimaabkommen – der weltweite CO2-Ausstoß nahm trotz der internationalen Bekundungen zur Emissionsbegrenzung unaufhaltsam zu. Auch Aktivistinnen wie Greta Thunberg sind davon ernüchtert „Besser zurückbauen. Blah, blah, blah. Grüne Wirtschaft. Blah, blah, blah. Netto-Null bis 2050. Blah, blah, blah“, sagte sie Ende September in einer Rede auf dem „Youth4Climate“-Gipfel in Mailand. „Das ist alles, was wir von unseren sogenannten Führungskräften hören. Worte, die großartig klingen, aber bisher nicht zu Taten geführt haben. Unsere Hoffnungen und Ambitionen ertrinken in ihren leeren Versprechungen.“

Auf der anstehenden Konferenz in Glasgow werden unter anderem die nationalen Klimaziele der einzelnen Länder hinsichtlich des Pariser Abkommens von 2015 überprüft. Zur Erinnerung: im Rahmen des Pariser Abkommens hatten sich die Staaten verpflichtet, den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau zu halten und darüber hinaus Anstrengungen zu unternehmen, um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Diese Ziele sind rechtsverbindlich und im Vertrag verankert. Doch um die Erderwärmung tatsächlich entsprechend zu begrenzen, haben sich die Länder bislang nur auf unverbindliche nationale Ziele geeinigt, mit denen die Treibhausgasemissionen in naher Zukunft, in den meisten Fällen bis 2030, reduziert werden sollen.

Diese nationalen Ziele reichen allerdings nicht aus, um die Vorgaben des Pariser Abkommens einzuhalten – das war schon bei der Unterzeichnung des Abkommens 2015 absehbar. Darum wurde eine Klausel in den Vertrag eingebaut, nach der die Länder alle fünf Jahre mit neuen Verpflichtungen an den Verhandlungstisch zurückkehren müssen. Eigentlich hätten die nationalen Klimaziele schon 2020 überprüft werden müssen, doch die Pandemie bremste den Vorgang aus. Nun sind alle Länder aufgefordert, ihre nationalen Klimaziele vor dem Klimagipfel zu überarbeiten, um das niedrigere der beiden Pariser Ziele, die Begrenzung auf 1,5 Grad, zu erreichen.

Eine riesige Aufgabe, denn noch im Januar zeigte eine Zwischenbilanz der UN, dass die angekündigten Emissionseinsparungen von 75 Ländern, die für rund 30 Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich sind, noch unzureichend sind. Deren Maßnahmen würden nur rund ein Prozent der weltweiten Treibhausgase einsparen, obwohl laut Berechnungen des Weltklimarats im Vergleich zum Jahr 2010 bis 2030 mindestens 45 Prozent Verringerung nötig seien. Die Europäische Union hat ihre Ziele angepasst und statt der ursprünglichen Reduktion von vierzig Prozent der Treibhausgasemissionen bis 2030 eine Erhöhung der Einsparung auf 55 Prozent beschlossen – das gilt bereits als eines der ambitionierten Klimaschutzziele.

Neben den nationalen Klimaschutzzielen werden auf der COP26 aber auch Themen wie die Klimaschutzfinanzierung, Ausgleichszahlungen an besonders vom Klimawandel betroffene Länder und Emissionshandel verhandelt werden. Dazu hatten sich die Industriestaaten zu massiven Ausgleichszahlungen an diese Länder bereit erklärt, sind dem aber bislang noch nicht ausreichend nachgekommen. Die Greenpeace-Aktivistin Jasmin Duregger hat das in einem schönen Bild zusammengefasst:

Es gäbe also viel zu tun in Glasgow – doch die Aussichten auf harte Verhandlungen für einen wirklich globalen Klimaschutz sind eher schlecht. So werden – vorgeblich wegen der Covid-Pandemie – wichtige Regierungschefs gar nicht erst anreisen. Chinas Staatschef Xi Jinping kommt nicht nach Schottland, sondern wird wohl eine Videoansprache halten. Präsident Vladimir Putin bleibt in Russland, Präsident Jain Bolsonaro in Brasilien. Und auch die Vertreter eines Drittels der pazifischen Inseln können wegen pandemiebedingter Reisebeschränkungen nicht am Klimagipfel teilnehmen. Das lässt Befürchtungen aufkommen, dass die Ergebnisse des Gipfels weniger ehrgeizig ausfallen könnten. Die Anwesenheit der von der Klimakrise am stärksten betroffenen Länder war in der Vergangenheit oft entscheidend, um die Staats- und Regierungschefs doch noch zu ambitionierteren Ziele zu bewegen.

So meldete sich die Premierministerin von Bangladesch, Sheikh Hasina, im Vorfeld des Gipfels in einem Beitrag für die britische Tageszeitung „The Financial Times“ zu Wort und forderte die Industrienationen dazu auf, ihren Klimaschutz-Versprechungen endlich gerecht zu werden. „Die unbequeme Wahrheit unserer Zeit ist, dass die Regierungen die Emissionen nicht schnell genug senken, um Länder wie das meine zu schützen, obwohl Maßnahmen gegen den Klimawandel noch nie so dringend und erreichbar waren", schrieb Hasina. Im Norden Bangladeschs seien Millionen von Menschen auf Süßwasser angewiesen, das jedes Jahr in den Eisfeldern des Himalaya gespeichert wird, die nun durch die Erwärmung der Luft destabilisiert werden. Im Süden verschärfe der Anstieg des Meeresspiegels die Bedrohung durch Überschwemmungen an den Küsten. Das Land und seine Bevölkerung müssten sich auf sinkende Ernteerträge stellen, so Premierministerin Hasina.

Bangladesch versuche, seinen Beitrag zum Schutz des Klimas zu leisten und habe die Pläne für den Bau von zehn weiteren Kohlekraftwerken gestrichen und eine Vision entwickelt, wie bis zum Ende des Jahrzehnts 30 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen kommen soll, so Hasina. „Ich glaube, dass viele Entwicklungsländer in den kommenden Monaten und Jahren solche Pläne verabschieden werden.“ Doch es brauche darüber hinaus viel mehr echte Anstrengung, gerade von den Ländern mit hohen Emissionen und viel Einfluss. „Wenn die westlichen Staats- und Regierungschefs zuhören, sich engagieren und entschlossen handeln, was die Wissenschaft von ihnen verlangt, ist noch Zeit, die COP26 zu dem Erfolg zu machen, den sie dringend braucht“, mahnt Premierministerin Sheikh Hasina.

Doch diese Zuversicht teilen Klimaschützende eher nicht: „Meine Hoffnung, dass in Glasgow ein großer Wurf gelingen wird, sind nicht besonders hoch“, sagt Katharina Rogenhofer. Die 27-jährige Wienerin ist Mitgründerin von „Fridays for Future“-Österreich und Sprecherin des dortigen Klimavolksbegehrens. „Dass die nationalen Klimaschutzziele so stark nachgebessert werden, dass das 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden kann, halte ich für unwahrscheinlich.“ Beim letzten Klimagipfel in Katowitce 2018 war Rogenhofer noch Praktikantin bei der Klimarahmenkonvention (UNFCCC). Dort traf sie Greta Thunberg, nahm an Demonstrationen teil und kam zu der Einsicht: die Energie für Veränderung kommt nicht aus Konferenzräumen, sondern von der Straße. Bald darauf startete sie mit weiteren jungen Leuten die Fridays-for-Future-Bewegung in Österreich. „Zu sehen, dass es 2018 in Katowitce keine substanziellen Fortschritte gab, hat vielen Menschen auf der Welt gezeigt, dass wir selbst etwas tun müssen. Dieser katastrophale Gipfel vor drei Jahren hat die Klimabewegung befeuert“, so Rogenhofer.

„Im besten Falle werden in Glasgow die nationalen Klimaziele nachgeschärft. Und Allianzen für einen besseren CO2-Preis, soziale Lieferkettenstandards oder die Klimafinanzierung geschmiedet“, sagt Rogenhofer. Das könne einen positiven Dominoeffekt auslösen, wenn es nicht nur beim „politischen Greenwashing“ bleibe. „Die Klimabewegung hat es geschafft, das die Staatsoberhäupter endlich über das Klima reden. Ein riesiger Erfolg – und jetzt müssen wir sie noch zum Handeln bewegen“, sagt Rogenhofer. In ihrer Heimat kämpft sie derzeit für die Verankerung des Klimaschutzes in der Verfassung und für konkrete, gesetzlich festgeschriebene Klimaschutzmaßnahmen.

Doch auch wenn viele daran zweifeln, ob eine katastrophale globale Erwärmung mit den Mitteln des Multilateralismus verhindert werden kann, nutzen wiederum andere die COP26, um ihrem Anliegen vor dem Start des Klimagipfels Gehör zu verschaffen. „Sie wissen nicht, wie es ist, wenn man wegen Überschwemmungen um sein Leben fürchten muss“, erklärte die 23-jährige Klimaaktivistin Mitzi Jonelle Tan von den Philippinen der Nachrichtenagentur AFP. Tan lebt in der Stadt Marikina, die schon heute regelmäßig von Taifunen heimgesucht wird. Während der Pandemie konnte Tan, wie viele andere Klimabewegte weltweit, nicht mehr auf der Straße demonstrieren – stattdessen trafen sie sich online und vernetzten sich global.

Tan und einige andere gründeten die Gruppe „Most Affected Peoples and Areas“ im Rahmen der Fridays-for-Future-Bewegung. „Als wir anfingen, wollten wir einfach nur einen Gruppenchat, um miteinander zu reden und uns sicher zu fühlen", sagte Tan. Daraus wurde ein regelmäßiger Austausch zwischen klimabewegten Menschen aus allen Hemisphären. Dass sie auch unter widrigen Umständen an ihren Zielen festhalten konnten und über tausende Kilometer hinweg Verbündete fanden, gibt den Menschen auch mit Blick auf die Ergebnisse der internationalen Verhandlungen auf der COP26 Hoffnung. Egal, was passieren wird, die philippinische Aktivistin Tan will sich nicht zum Schweigen bringen lassen. „Echte Veränderung kommt von der Straße“, sagt sie. „Wir müssen so laut sein, dass sie uns nicht ignorieren können.“

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