Als Bitcoin 2009 als erste Kryptowährung den Handel eröffnete, da war die Luft voller Verheißungen: Freiheit, Unabhängigkeit, Sicherheit! Ein Gegengewicht zum mächtigen Bankensystem sollte sie werden, eine dezentral gesicherte Währung außer Reichweite von Investitionsgeschäften und Spekulation. Heute, zwölf Jahre später, hat es der Bitcoin zwar auf einen Marktwert von rund 700 Milliarden Euro gebracht, aber er ist mehr zum Spekulationsobjekt geworden, denn zu einer täglich nutzbaren Währung.

Vor allem verursacht die Digitalwährung gravierende Umweltprobleme. Das liegt an der energieintensiven Blockchain-Technologie, mithilfe derer die Kryptowährung gesichert wird. Dass diese Technologie eine hohe Rechenleistung braucht, ist kein unerwünschter Nebeneffekt, sondern der Sinn und Zweck einer Blockchain. Denn statt durch eine zentrale Aufsicht von Staaten oder Banken, werden Transaktionen von Kryptowährungen dezentral durch viele Knotenpunkte – sogenannte Miner – gesichert. Ihnen wird vereinfacht ausgedrückt eine komplizierte Rechenaufgabe gestellt, die sie alle versuchen am schnellsten zu lösen. Wer als erstes auf das Ergebnis kommt, wird mit Bitcoins belohnt, durch die Bestätigung der anderen Miner gilt das Ergebnis als sicher – „Proof of Work“ nennt sich dieses Verfahren.

Weil dafür eine unglaublich hohe Rechenleistung nötig ist, darf man sich Miner nicht wie ein paar Leute mit ihren Laptops vorstellen, sondern als riesige Industriehallen, in denen sich hunderte Serverschränke aneinanderreihen, die ununterbrochen arbeiten. Dafür sind unerhört viele Chips, Prozessoren, Kabel, Kühlungssysteme und andere Geräte nötig, die in der Herstellung, vor allem aber im Betrieb sehr viel Strom fressen. Allein der Bitcoin verbraucht jährlich ungefähr so viel Strom wie die Arabischen Emirate, wie das Cambridge Centre for Alternative Finance ausrechnete: und zwar 116,12 Terawattstunden im Jahr. Damit läge die größte Kryptowährung, wenn sie ein Staat wäre, unter den 30 stromintensivsten Ländern der Welt. Neben dem Bitcoin haben sich aber mittlerweile schon eine ganze Reihe anderer Coins etabliert – der Stromverbrauch aller Kryptowährungen zusammen liegt also noch deutlich darüber. 

Einige Kryptowährungen setzen bereits auf erneuerbare Energien als Stromquellen, andere verwenden alternative Verfahren zum Proof of Work, die nur einen Bruchteil des Energieaufwands benötigen. Marktriese Bitcoin aber macht bislang nichts davon.

Laut der Universität Cambridge sitzen rund 75 Prozent der Bitcoin-Miner in China – denn dort wird auch die dafür nötige Computer-Hardware produziert und der Strom ist günstig. Größtenteils siedeln sich die Miner in der westchinesischen Provinz Xinjiang an, in der die muslimische Minderheit der Uiguren unterdrückt wird. Für die Bitcoin-Miner interessanter ist aber: Dort steht viel günstiger Kohlestrom zur Verfügung. Wie sehr der Bitcoin von dieser Provinz abhängig ist, zeigte ein Unglück in dem Kohlebergwerk Fengyuan Anfang April: Die Stollen waren überflutet worden und die Grube musste zeitweise schließen. Wegen der fehlenden Kohle kam es zu Stromausfällen – und die Rechenleistung des Bitcoin-Netzwerks brach um ganze vierzig Prozent ein.

Der Finanzexperte Alex de Vries, der auf seinem Blog „Digiconomist“ die Energiebilanz der Kryptowährungen dokumentiert, beobachtet: „Die Energiewende führt zu Erneuerbaren. Auf dem Trockenen bleiben überholte fossile Brennstoffe – perfekt fürs Bitcoin-Mining.“ Auch andere Standorte für fossile Energieträger erleben dank der Kryptowährungen nun wieder einen Aufschwung: Im russischen Norilsk ist ein Bitcoin-Miner in die dortige zwangsstillgelegte Nickelfabrik eingezogen, die immer wieder mit extremer Umweltverschmutzung für Skandale gesorgt hatte. Energielieferant auch hier: Kohle, als Reservetreibstoff dient Diesel. An anderen Standorten in Russland und den USA kommt der Strom für die Miner aus umweltschädlichen Fracking-Ölquellen. Und im Bundesstaat New York ging ein vor zehn Jahren stillgelegter Kohlemeiler sogar eigens für eine Krypto-Mine wieder in Betrieb, umgerüstet auf Erdgas.

Was das für CO2-Emissionen zur Folge hat, berechnete ein Forschungsteam der Chinesischen Akademie der Wissenschaften im April in dem Wissenschaftsmagazin Nature Communications: Demnach würde der Energieverbrauch der Bitcoin-Miner in China im Jahr 2024 einen Spitzenwert von 296,59 Terawattstunden erreichen. Das wäre gut zweieinhalb mal so viel wie der derzeitige weltweite Energieverbrauch des Bitcoins – und würde 130,5 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre blasen. Dass das ein Problem für Chinas Klimapolitik wäre, ist auch der chinesischen Regierung bewusst. Schon jetzt macht  sie den Regionen, in denen die Krypto-Miner sitzen, Druck ihre Klimaziele einzuhalten. Immerhin die Provinz Innere Mongolei leistete dem Folge: Sie forderte die Bitcoin-Miner auf, ihre Betriebe in der Region zu schließen.

Wo aber sollen sie hin? Ließe sich der enorme Stromhunger überhaupt mit erneuerbaren Energiequellen stillen? Einige kleinere Kryptowährungen gehen hier voran. So etwa der Climatecoin des spanischen Startups Climate Trade, das auf Basis der Blockchain den Handel von CO2-Emissionsrechten demokratisieren und beschleunigen will. Oder der US-amerikanische Solarcoin, den jeder bekommen kann, der mit einer Photovoltaikanlage Strom erzeugt: Für jede Megawattstunde gibt es einen Coin. Und längst gibt es zahlreiche Unternehmen, die einen CO2-Ausgleich für das Handeln mit den Kryptowährungen anbieten.

Liegt die Lösung in den Erneuerbaren? Fabian Reetz von der Stiftung „100 Prozent Erneuerbar“ glaubt nicht daran: „Die benötigten Energiemengen würden anderswo fehlen und das Problem nur verschieben“, schreibt er in einem Dossier zum Thema. Er zeichnet ein düsteres Bild: „Blockchain-Technologien tragen dazu bei, dass die Einhaltung der Pariser Klimaziele immer unwahrscheinlicher wird.“ 

Allerdings sei ein großer Teil der Emissionen technologisch überhaupt nicht notwendig. Denn es gäbe eine stromsparende Alternative zu dem energieintensiven Proof-of-Work-Verfahren: Proof of Stake. Die Idee dahinter ist, dass nicht viele Miner auf das gleiche Rechenergebnis kommen müssen, sondern nur einer. Der wird durch eine „gewichtete“ Zufallsauswahl ermittelt – ins Gewicht fällt dabei, wie lang ein Miner schon dabei ist und wie viel Vermögen (Stake) er hat. Auch dieses Verfahren kann die Datenbanken ausreichend sichern, und es verbraucht nur einen Bruchteil des Stroms. Laut Fabian Reetz könnte die Umstellung auf das Prinzip Proof of Stake bei Bitcoin mehr als 99 Prozent des Energieverbrauchs sparen. 

Einige Kryptowährungen wie etwa Cardano und Polkadot nutzen dieses Verfahren bereits, und auch Ethereum, der zweitgrößte Coin hinter dem Bitcoin, hat angekündigt, mit seiner neuen Version Etherium 2.0 darauf umzusteigen. Offen ist allerdings noch wann. „Die Umstellung auf Proof of Stake ist nicht trivial für ein Netzwerk, das derzeit bereits Hunderte von Milliarden Dollar an Wert sichert. Deshalb geht das leider nicht über Nacht“, sagte Danrad Feist, ein an der Umstellung beteiligter Forscher, der New York Times.

Und was ist mit dem Marktriesen Bitcoin? Zuletzt hatte Tesla-Gründer und Milliardär Elon Musk für einen Kurssturz des Bitcoins gesorgt, nachdem er ihn kurz zuvor erst in die Höhe getrieben hatte: Zunächst hatte er über Twitter mitgeteilt, dass Kunden ihre Teslas künftig mit Bitcoins würden bezahlen können, und der Preis explodierte. Wenige Wochen später nahm er das Versprechen wieder zurück, als Grund nannte er den großen CO2-Fußabdruck – und der Kurs sackte innerhalb eines Tages um 15 Prozent ab. 

Fabian Reetz von der Stiftung „100 Prozent Erneuerbar“ sieht bei dem Wandel zu nachhaltigeren Kryptowährungen die Regierungen in der Verantwortung: „Von staatlichen Förderprogrammen wird abhängen, welche Blockchains einen breiten Einsatz in regulierten Bereichen wie Finanz-, Versicherungs-, oder Energiewirtschaft finden und welche nicht.“ Er findet: Die alten Schürfmethoden sollten nicht staatlich gefördert werden und den Weg frei machen für den neuen Ansatz: Proof of Stake. Die deutsche Bundesregierung hat sich hier noch nicht festgelegt. Immerhin aber versprach sie in ihrer 2019 veröffentlichten Blockchain-Strategie, „nachhaltigkeitsbezogene Anforderungen zu einem wichtigen Entscheidungskriterium“ zu machen. Wie ernst das gemeint war, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.

In den Krypto-Netzwerken wird eine mögliche Umstellung von Proof of Work zu Proof of Stake leidenschaftlich diskutiert. Denn Gegner werfen der neuen Methode vor, denjenigen mit dem meisten Vermögen noch mehr Macht zu verleihen – genau wie in der Welt der Banken.