In Ihrem Buch schreiben Sie: Sie wollen nicht, dass Ihre Generation der Babyboomer als diejenige in Erinnerung bleibt, die „in Rekordzeit alle Ressourcen verballert hat“. Haben Sie ein schlechtes Gewissen?
Ich gönne das, was meine Generation an Unbeschwertheit genießen durfte, auch allen die nach uns kommen mögen. Und ich möchte ja gerne auch noch dreißig gute Jahre dabei sein – so mir das vergönnt ist. Und wenn ich dann 2050 gefragt werden sollte: Was hast du 2021 eigentlich gemacht, damit wir in den entscheidenden Jahren noch die Kurve bekommen? Dann möchte ich sagen können: Ich habe versucht, eine Sprache und Bilder zu finden, die den Menschen etwas bedeuten, die etwas in ihnen bewegen und die Mut machen auf Veränderung. Denn: Wir könnten es hier auf Erden echt schön haben. Schöner als jetzt.
Sie engagieren sich nun für eine medizinisch fundierte Klimapolitik und haben dafür die Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ gegründet. Wie sieht ihre Arbeit aus?
Wissenschaft allein verändert kein Verhalten und führt nicht zu den politischen Entscheidungen, die jetzt notwendig sind. Mit der Stiftung möchte ich dazu beitragen, dass diese notwendige Transformation von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft neuen Schwung bekommt. Dazu brauchen wir einen frischen „Spirit“: überparteilich, kooperativ, generationsübergreifend und mit ansteckend guter Laune. Mein Team und ich arbeiten unter Hochdruck: Wir mobilisieren die Ärzteschaft und die Pflege, zu dem Thema Stellung zu beziehen, und wir arbeiten mit großen Stiftungen und Netzwerken zusammen. Ziel all unserer Aktivitäten ist es, dass der deutlichen Mehrheit unserer Gesellschaft bewusst wird: Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten. Und dafür brauchen wir radikale Änderungen in der Art und Weise, wie wir leben – sodass wir zukunftsfähig und enkeltauglich leben.
Bereits 2015* haben sich die Vereinten Nationen mit den 17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung dazu verpflichtet, „ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten und ihr Wohlergehen zu fördern.“ Umschrieben wir diese Aufgabe mit der Bezeichnung Globale Gesundheit. Sehen Sie das umgesetzt?
Nein, es gibt wenig konkrete Maßnahmen. Wir haben zu lange geglaubt, dass die Klimaveränderungen Eisbären, Meeresspiegel und ferne Länder betreffen, aber nicht uns in Europa. Dabei erleben wir ja gerade in den letzten drei Jahren enorme Hitzewellen mit vielen Toten, eine Dürre, wie es sie nachweislich seit über 2000 Jahren nicht gab, die auch die Bäume sterben lässt – und das alles mitten in Deutschland.
Sie sind auch Mitbegründer der „Scientists for Future“. Noch vor wenigen Jahren hieß es, die Wissenschaft solle nur die Fakten liefern, Politik sollten andere machen. Was hat sich da verändert?
Mir liefern ja inzwischen Politiker die Pointen, die „Fridays for Future“ nicht ernst nehmen und „Profis“ einfordern. Deshalb habe ich zusammen mit über 28.000 weiteren Wissenschaftlern als „Scientists for Future“ eine Stellungnahme unterzeichnet: Die Jugendlichen haben recht, wir sind in einer Klimakrise und müssen dringend handeln. Wir sind die erste Generation, die mitbekommt, wie viele Dinge sich gerade unschön ändern – und die vielleicht letzte, die etwas daran ändern kann, bevor globale Kipppunkte erreicht werden. Dazu zählen zum Beispiel das Auftauen von Permafrostböden, das Schmelzen der polaren Eismassen oder das Versiegen von Meeresströmungen.