Liebe Leserinnen und Leser,

selbst der heißeste Sommer Europas seit Beginn der Wetteraufzeichnungen geht mal vorbei. Es wird Herbst, und warme Socken, Strickjacken und alte Gedichte werden hervorgekramt: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. “ Wie auch, wenn Zinsen und Inflation steigen, Lieferketten brüchig werden und Arbeitskräfte bei Bau und Handwerk fehlen?

Wer auch ohne Hausbau bereits wohnt, sieht der kälteren Jahreszeit voller Ungewissheit entgegen. Führt man sich pausenlos Nachrichten zu Gemüte (Vorsicht, ungesund!), könnte man meinen, dass überall Panik herrscht und der Weltuntergang ganz kurz bevorsteht. Schaue ich dagegen am Wochenende aus meinem Fenster, denke ich: So schlimm kann es ja noch nicht sein, Scharen von offensichtlich vergnügten Menschen ziehen durch die Straßen und drängeln sich in Bars und Restaurants.

Zumindest fürchten laut ARD-Deutschlandtrend 39 Prozent der Erwachsenen, ihre Energierechnungen nicht bezahlen zu können. Begriffe wie Energieknappheit, Mangellage und Einsparverordnung machen die Runde, und seit Monaten werden wir mit mehr oder weniger nützlichen Forderungen und Tipps zum Energiesparen traktiert: kürzer duschen, nachts die Heizung runterdrehen, auch mal einen Waschlappen benutzen – dieser Vorschlag brachte dem grünen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann reichlich Hohn und Spott ein. Dabei ist gegen den guten alten Waschlappen (ich besitze mehrere in verschiedenen Farben) wenig einzuwenden: Man wird sauber und spart außer Energie auch Zeit.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert findet es „schräg, wenn Menschen mit fünfstelligem Monatseinkommen anderen erklären, wie man spart“. Schon, aber jemand muss es machen, denn, so Martin Brandis, Energieexperte der Verbraucherzentralen: „Aktuell laufen die allermeisten Heizungen einfach den ganzen Tag durch – egal ob die Wärme wirklich gebraucht wird“, und falls das stimmt, haben sich viele Leute bislang wenig Gedanken über Energieeinsparungen gemacht. Fassungslos liest man Berichte über alleinstehende ältere Damen in großen Häusern, deren jährlicher Gasverbrauch den von drei bis vier Familien übersteigt, und fragt sich, wie das sein kann.

Sparen! Klingt doch fast so altbacken wie Mettigel, Perwoll und Opel Kapitän. Da denkt man an bunte Schweinchen aus Porzellan oder Metall, früher gern von Sparkassen an Kinder verteilt (ich hatte auch eins) und mit Münzen gemästet. Dieser Mageninhalt wurde später im Idealfall (aus Sicht der Sparkassen) auf ein, genau: Sparbuch eingezahlt. An dem wir Deutschen trotz Kreditkarten und Bezahl-Apps nach wie vor sehr hängen.

Bei Geld mag das ja noch okay sein. Aber – Energie? War doch immer genug da, und bequem war es auch. Die Zeiten, als man den Eintritt fürs Theater mit Briketts bezahlte und sich zu Haus im Halbkreis um den Kohleofen scharte, liegen lange zurück. Wobei sich einerseits jetzt viele wieder mit Holz und Kohle eindecken, weil bei ihnen noch ein kaum oder gar nicht benutzter Ofen herumsteht. Den sie hoffentlich vor Inbetriebnahme fachgerecht inspizieren lassen, sonst könnte es zu Rauchvergiftungen oder gar Feuersbrünsten kommen. Reißenden Absatz finden auch elektrische Heizlüfter, das teure Gegenteil von Energieeffizienz. Irgendwie muss sich doch das Stromnetz zum Zusammenbruch zwingen lassen.

Andererseits, und das ist eine gute Nachricht: Einer Umfrage der Förderbank KfW zufolge sind rund neun von zehn Deutschen weiterhin für die Energiewende, und von denen, die es sich leisten können, investieren auch immer mehr selbst in Fotovoltaik, Wärmepumpen, E-Autos und dergleichen. Nur zweifeln über zwei Drittel der Befragten, ob es vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen einen fairen Ausgleich geben wird. Da muss die Regierung sicher noch mal nachlegen. Und, oh böses Wort, umverteilen.

Die geplante Abschöpfung der sogenannten Zufallsgewinne, wie immer sie letztlich aussehen wird, wäre schon mal ein guter Anfang. Das internationale Netzwerk Transatlantika hat einen offenen Brief an Bundespräsident Steinmeier, Bundekanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck geschrieben und macht den Vorschlag, einen Fonds aufzusetzen, in den Bundestagsabgeordnete, Mitglieder der Bundesregierung sowie andere Gutverdienende jeweils 20 Prozent ihres Einkommens spenden sollen. Dazu gibt es auch ein Youtube-Video und eine Petition. Wer weiß, was dabei herauskommt, aber Solidarität ist in diesem Winter mehr gefragt denn je. Es müssen ja nicht gleich 20 Prozent des Einkommens sein, aber wer auf staatliche Zuwendungen nicht angewiesen ist, sollte sie weiterreichen an Leute, die sie dringend brauchen, oder an entsprechende Organisationen. Ich bin dabei.

Das herbstlich-regnerische Wochenende scheint mir geeignet, um mindestens eine von zwei garantiert wirksamen und in diesem Haushalt noch ausstehenden Energiesparmaßnahmen in die Tat umzusetzen, die, auch dafür verbürge ich mich, überhaupt keinen Spaß machen. Hiermit reihe ich mich ein in die Schlange derer, die ungebetene Tipps geben. Erstens: Staub von den Heizkörpern entfernen, und zwar innen, außen, unten und oben. Wie das am besten geht, verrät gern das allwissende Internet. Zweitens: Kühl- bzw. Gefrierschrank abtauen.

Haben Sie beides schon hinter sich? Glückwunsch! Es gibt etwa eine Million Dinge, die ich lieber täte, aber man ist doch schließlich kein Waschlappen!

Unterschrift

Kerstin Eitner
Redakteurin