Outdoorjacken sollen warm halten und vor Feuchtigkeit schützen. Viele Hersteller aber betreiben einen Materialaufwand, als müssten ihre Produkte auch für eine Marsexpedition taugen. Dabei vergessen sie oft Umwelt, Gesundheit und Tierwohl. Wir haben uns das für die Ausgabe 6.21 des Greenpeace Magazins angesehen

Ein Trekking-Pärchen schaut glücklich in die Kamera. Sonnengebräunte Gesichter, dahinter leuchtende, schneebedeckte Berggipfel. So sieht die typische Werbung der Outdoorbranche aus. Die Botschaft ist klar: Mit unserer Ausrüstung erreichst du warm und trocken die abgelegensten Ecken dieser Erde. Was das Pärchen vielleicht überraschen wird: So unberührt ist die Natur nicht mal dort. Denn die Outdoorindustrie hinterlässt selbst in entlegenen Bergregionen ihre Spuren. Dazu gehören per- und polyfluorierte Chemikalien (als PFAS oder PFC bekannt), stabile Verbindungen aus Fluor und Kohlenwasserstoff, die dafür sorgen, dass Wasser, Öl und Schmutz abperlen wie an einem Lotusblatt. Sie finden sich in Beschichtungen von Autositzen bis hin zu Pizzakartons, aber eben auch in Outdoorausrüstung wie Zeltplanen, Schlafsäcken und Anoraks. 

PFAS werden mit den Luftströmungen über weite Strecken getragen, bis hoch auf die Berge des Himalaya. Sie gelangen über Schnee und Regen ins Grundwasser und landen schließlich in der Nahrung von Mensch und Tier. Einmal in der Umwelt, können sie in Organismen Schäden anrichten. Besonders gefährlich ist, dass sie nicht biologisch abbaubar sind. „Wir haben PFAS schon in der Leber von Eisbären in der Arktis nachgewiesen“, berichtet Viola Wohlgemuth, Textil-Campaignerin von Greenpeace. Die Umweltorganisation hatte 2011 eine Kampagne namens „Detox My Fashion“ gegen den Einsatz von Giften in der globalen Textilindustrie gestartet. Daraufhin verpflichteten sich eine Reihe von Unternehmen, umweltfreundlichere Produktionsmethoden zu entwickeln, auf bestimmte Chemikalien zu verzichten und Lieferketten transparent zu machen. 

Das große Versprechen der Outdoorhersteller ist zugleich auch ihr Problem. Ihre Bekleidung soll vor Kälte, Wind oder Regen schützen und die Körpertemperatur regulieren. Das Obermaterial von Outdoorjacken ist daher meist chemisch imprägniert. Als Wunderwaffe gegen lästiges Schwitzen gilt die Membran, eine feinporige Schicht, die zwischen die Textillagen eingenäht oder geklebt wird und bewirkt, dass Wassertropfen draußen bleiben, Wasserdampf aber entweichen kann. Die Hightech-Ausstattung, die sich die Hersteller nicht selten mit Preisen nahe der Tausend-Euro-Grenze bezahlen lassen, wird durch den Einsatz von erdölbasiertem Kunststoff und giftiger Chemie erreicht. Fasern aus synthetischer Kleidung sind die Hauptquelle des Mikroplastiks im Meer. Und selbst nachhaltig produzierte Outdoorjacken können bei der Herstellung zwanzig bis dreißig Kilogramm CO2 freisetzen.

<p class="text-align-center">DAUNEN HOCH FÜR ALTERNATIVEN<br />
Daunen in Funktionsjacken werden oft mit tierquälerischen Praktiken gewonnen. Eine Deklarationspflicht besteht nicht, aber es gibt Alternativen</p>

DAUNEN HOCH FÜR ALTERNATIVEN
Daunen in Funktionsjacken werden oft mit tierquälerischen Praktiken gewonnen. Eine Deklarationspflicht besteht nicht, aber es gibt Alternativen

Am Ende: Plastikmüll

Mittlerweile hat in der Branche ein Umdenken eingesetzt, nicht zuletzt infolge der Greenpeace-Kampagne. „Markenfirmen wie Fjällräven, Páramo, Rotauf und Vaude, die unser Detox-Commitment zur Entgiftung ihrer Produktionsketten unterzeichneten, haben etwa beim Thema PFAS tatsächlich riesige Schritte nach vorne gemacht“, erklärt Viola Wohlgemuth. „Für die ganze Branche ist es enorm wichtig, wenn Unternehmen in die Entwicklung von alternativen Produktionswegen investieren – das erhöht den Druck auf andere und ermöglicht ihnen zugleich, ohne Grundlagenforschung nachzuziehen.“ Längst gebe es fluorcarbonfreie Kollektionen, die durch den Einsatz von umweltfreundlichen Wachsen vor Wind und Wetter schützten.

Bei den Membranen greifen inzwischen einige Firmen auf PFAS-freie Alternativen wie Sympatex zurück, die den Umweltstandards „Oeko-Tex“ oder „Bluesign“ entsprechen. Dabei wird zum Teil aus alten PET-Flaschen recyceltes Polyester eingesetzt. Der Vorteil: Plastikmüll kann auf diese Weise verarbeitet werden, der Energieaufwand und die Emissionen bei der Herstellung sind deutlich geringer als bei frischen Kunstfasern auf Erdölbasis. Allerdings sehen Umweltverbände wie Greenpeace oder der Naturschutzbund (Nabu) die Verfahren auch kritisch. Der Energieaufwand sei immer noch hoch, bemängeln sie, und die dabei erzeugten Fasern ließen sich nicht endlos wiederverwerten, weil bei jedem Recyclingvorgang Qualität verloren gehe. Die Branche sei immer noch weit davon entfernt, das erdölbasierte Material tatsächlich in geschlossene Kreislaufsysteme zu überführen. Das Versprechen „100 Prozent recyclingfähig“ bedeutet also nicht, dass die Bekleidung auch wirklich recycelt wird, statt in der Müllverbrennungsanlage zu landen.

Sinnvoller als recycelte Neuware wären Secondhand-Angebote. Globetrotter und Vaude beispielsweise verkaufen aufgefrischte Kollektionen aus zweiter Hand – die Betonung der langfristigen Nutzung ist mittlerweile Teil der Nachhaltigkeitskonzepte in der Branche. Viele Hersteller bieten heute einen Imprägnierservice zur regelmäßigen Auffrischung an, damit die Kleidung länger getragen werden kann. Wie gut solche umwelt- und gesundheitsfreundlicheren Imprägnierungen halten, hat Olaf Perwitzschky vom Fachmagazin Alpin im vergangenen Jahr an zehn fluorcarbonfreien Regenjacken getestet. „Es war enorm schwer, überhaupt zehn Jacken für den Test zu organisieren, die nicht nur komplett fluorfrei waren, sondern auch nachhaltig und unter fairen Bedingungen hergestellt wurden.“ Das Testergebnis schien zunächst vielversprechend. Die meisten Jacken hielten die Feuchtigkeit draußen. Aber: Die alternativen Imprägnierungen aus Bienenwachs oder aus PFAS-freien Kunststoffen wie Paraffin erwiesen sich oft als nicht langlebig. „Mechanische Reibung trägt die Schutzschicht schnell ab“, sagt Perwitzschky, schneller jedenfalls als bei fluorierten Imprägnierungen. Da helfe dann nur eine regelmäßige Auffrischung der Beschichtung.

Innere Werte

Empfohlene Textilsiegel für Outdoorkleidung

Oeko-Tex „Detox to Zero“
Detox to Zero von Oeko-Tex ist laut Greenpeace das strengste Siegel auf dem Markt, aber noch wenig verbreitet. Es ist keine klassische Zertifizierung, sondern ein Verifizierungssystem für die Textil- und Lederindustrie, um die Kriterien der Detox-Kampagne von Greenpeace umzusetzen.

Bluesign
Das Siegel wird von der schweizerischen Bluesign Technologies AG vergeben. Damit ein Produkt es erhält, muss die Herstellung zu mindestens neunzig Prozent in zertifizierten Fabriken erfolgt sein. Ziel des Siegels ist die Verringerung von schädlichen Umwelteinflüssen durch die Textilindustrie.

Fair Wear
Die niederländische Stiftung Fair Wear Foundation (FWF) will die Arbeitsbedingungen in der Textilprodukton weltweit verbessern und vergibt das Siegel an ihre Mitglieder, etwa achtzig Textilunternehmen, die sich regelmäßig überprüfen lassen müssen.

Das größte Ökoproblem für die Hersteller stelle allerdings die Membran dar. „Das Unternehmen Gore, Erfinder der wasserdichten und luftdurchlässigen Jacken und maßgeblicher Lieferant für die Outdoorhersteller, hat noch immer keine fluoridfreie Membran im Angebot“, sagt Perwitzschky. Das bedeute: Solange in einer Jacke eine Membran von Gore steckt, kann sie nicht fluoridfrei sein. Der Hersteller selbst hat angekündigt, bis 2023 auf den Einsatz von PFAS zu verzichten.

Das Daunen-Dilemma

Ein weiteres Dilemma versteckt sich im Inneren vieler Outdoor- und Funktionsjacken. „Nach Artikel 23 Absatz 3 der Europaratsempfehlung zur Haltung von Hausgänsen, die auch für Deutschland gilt, dürfen lebenden Tieren keine Federn herausgerissen werden“, erklärt Kathrin Zvonek vom Deutschen Tierschutzbund.

Bei der Gewinnung von Federn und Daunen lebender Tiere unterscheide man zwischen dem Rupfen und dem Raufen. Beim – erlaubten – Raufen werden Federn gewonnen, die durch die natürliche Mauser gelockert sind. Neunzig Prozent aller in Deutschland verkauften Daunen stammen aus dem Ausland, vor allem aus China. Doch es gibt kein Importverbot für Daunen, die durch tierquälerischen Lebendrupf gewonnen wurden – und keinerlei Deklarationspflicht seitens der Produzenten. Kathrin Zvoneks Empfehlung: „Verzichten Sie auf Daunen.“ Es gebe inzwischen auch vegane Alternativen, etwa aus Bambus-, Biobaumwoll- oder Hanffasern. Wenn es aber unbedingt Daunen sein müssen, „sollte man beim Kauf auf den Global Traceable Down Standard (TDS) achten. Für Produkte mit diesem Siegel ist sowohl Lebendrupf und -rauf als auch Zwangsfütterung der Tiere verboten.“

Möglichst lange nutzen

Gewissenskonflikte passionierter Outdoormenschen mit grüner Seele kennt Kathrin Heckmann nur allzu gut. Als „Fräulein Draußen“ bloggt sie regelmäßig von ihren Touren und hat einen gleichnamigen Bestseller geschrieben. „Ich bin nicht hundertprozentig nachhaltig unterwegs, auch wenn ich das sehr gern wäre“, schreibt sie per E-Mail von einer Wanderung aus dem Allgäu. Man müsse noch immer sehr mühsam recherchieren, wenn es um naturverträgliche Ausrüstung gehe. Das Angebot sei extrem begrenzt, oft seien Kompromisse notwendig. „Deshalb finde ich es besonders wichtig, auf die Qualität der Produkte zu achten und dass sie reparierbar sind, damit ich sie möglichst lange nutzen kann.“  

Bleibt am Ende die Frage, wofür man sich nun entscheiden soll, wenn der Kauf einer wetterfesten Jacke ansteht. „Schon mal überlegt, ob man so ein Produkt wirklich braucht?“, fragt Perwitzschky, selbst als Bergführer aktiv. Zum einen werden die meisten Funktionsjacken meistens nur ausgemustert, weil Schnitt und Farbe nicht mehr gefallen. Zum anderen checke doch heute jeder, der einen Ausflug, eine Wanderung oder Biketour unternehmen will, vorher den Regenradar auf dem Smartphone. Er selbst setze auf seinen Touren nicht nur auf die Wetterprognosen, sondern auch auf einfache Fleecejacken aus Biobaumwolle sowie auf eine leichte, dünne PFC-freie Regenjacke. „Wenn es mal regnet, tut auch sie ihren Dienst. Aber meiner Erfahrung nach bleibt sie zu 99 Prozent im Rucksack.“ 

Diesen Artikel finden Sie in unserer bisher weiblichsten Ausgabe 6.21 „Yes She Can“ des Greepeace Magazins. Im Schwerpunkt dreht sich alles um inspirierende Frauen weltweit, die sich gegen die Zerstörung der Lebensgrundlagen und für gerechtere Gesellschaften einsetzen. Darin können Sie lesen, wie viele an die Schalthebel der Macht drängen, um es anders zu machen und den Wandel voranzutreiben – als Anwältinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen oder Aktivistinnen. Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel, alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!

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