Man findet sich als Journalist zuweilen in seltsamen Situationen wieder. Zum Beispiel in dieser: Zusammengekauert auf dem Boden einer zerbeulten Baustellengondel, die in dreißig Metern Höhe über einem Wald schwebt. Wie es dazu kam?

<p>Waldforscher Thorsten Grams über dem Kranzberger Forst</p>

Waldforscher Thorsten Grams über dem Kranzberger Forst

Nun, für unsere Reportage über „Die Zukunft des Waldes“ habe ich im Juni mit dem Fotografen Florian Müller eine Versuchsfläche im Kranzberger Forst bei München besucht. Wissenschaftler haben dort inmitten der Bäume einen alten Baukran aufgestellt, um ihre Forschungsobjekte – Buchen und Fichten, die sie einer künstlichen Dürre ausgesetzt hatten – aus der Vogelperspektive in Augenschein nehmen zu können. Projektleiter Thorsten Grams hatte uns mit hinaufgenommen und steuerte die Gondel per Joystick.

Bei einem Zwischenstopp am Boden stieg Müller aus, um die Szene noch einmal aus anderer Perspektive zu fotografieren. Ich blieb in der Gondel, denn mit dem lautlosen Aufzug in die Wipfel zu fahren machte wirklich Spaß. In erstaunlicher Geschwindigkeit kletterte der Fotograf die Leiter im Innern des Krans hinauf – und rief mir dann zu, dass ich im Bild störe. Also hockte ich mich hin, sodass Professor Grams allein in seiner Gondel zu sehen ist. Das Ergebnis der Aktion können Sie auf Seite 18 im neuen Greenpeace Magazin „Waldleben“ sehen.

<p>Reportage "Die Zukunft des Waldes", Greenpeace Magazin 5.20</p>

Reportage "Die Zukunft des Waldes", Greenpeace Magazin 5.20

Für mich, einen Biologen, der inzwischen viel Zeit in Redaktionsräumen verbringt, sind Recherchen wie diese wunderbare Gelegenheiten, um ab und zu mal „rauszukommen“. Und so lernte ich in wenigen Tagen mehr über Bäume und Wälder als je zuvor. Vom Förster der Gemeinde Ebringen bei Freiburg erfuhr ich zum Beispiel, was es mit dem steten Summen auf sich hat, das über seinem Mischwald hing: Unzählige Wildbienen, erklärte er mir, sammelten den Honigtau, den Millionen Blattläuse in den Baumkronen absonderten. Achten Sie bei einem Spaziergang mal darauf, ob auch Sie dieses Waldphänomen hören können!

Allerdings hatte mich ein trauriger Anlass in den Kranzberger Forst geführt: Um den deutschen Wald steht es schlecht, nach einhelliger Meinung der Expertinnen und Experten schlechter noch als während des „Waldsterbens“ in den Achtzigerjahren. Das beunruhigende Ergebnis meiner Reise nach Baden-Württemberg und Bayern,Brandenburg und Thüringen: Ob die Menschen nun grün gesinnt sind oder eher konservativ, ob sie den Wald vor allem als Wirtschaftsstandort sehen oder als Öko-Schatzkammer – alle, die sich mit Bäumen auskennen, sind wegen des Klimawandels in tiefer Sorge.

Uriger Wald: Künftig sollen wieder mehr Bäume natürlich altern und sterben wie hier im Hainich in Thüringen

Uriger Wald: Künftig sollen wieder mehr Bäume natürlich altern und sterben wie hier im Hainich in Thüringen

Forstleute sind nämlich nicht nur besonders oft in der Natur unterwegs und sehen deshalb, wie rasch diese sich verändert, sie denken auch in viel längeren Zeiträumen als andere – weil ihre Schützlinge, die Bäume, noch länger leben als Menschen und nicht umziehen können. 

Vielleicht sollten wir alle häufiger raus ins Grüne gehen, den Geräuschen des Waldes lauschen – und dabei auch einmal versuchen, die Baumperspektive einzunehmen. Wie es wäre, an einem angestammten Platz festgewachsen zu sein, der nach und nach in eine andere Klimazone wandert, obwohl er doch am selben Ort bleibt? Es wäre ein Ansporn zu noch mehr Klimaschutz.

Zur Wald-Reportage geht es hier. Der Text stammt aus der Ausgabe des Greenpeace Magazins 5.20 „Wald“, erhältlich im Warenhaus, am Kiosk oder ab 32,50 Euro im Abo. Sie können das Greenpeace Magazin auch in unserer digitalen Version lesen: mit allen Inhalten der Print-Ausgabe, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!