Der Strom ist öko, das Essen bio, und das Auto  fährt benzinfrei oder gar nicht – da fehlt nur noch die nachhaltige Finanzanlage. In unserer Ausgabe 2.22 gibt es einen kleinen Leitfaden für Neulinge, die mit ihrem Geld Gutes unterstützen und Böses verhindern wollen

Einen „grünen Finanzmarkt“, an dem Händler um Öko-Wertpapiere feilschen, gibt es nicht. Wohl aber viele als „nachhaltig“ ausgewiesene Finanzprodukte – vom Girokonto über Aktien, Anleihen, Investmentfonds bis hin zu Direktinvestments. Das „Forum Nachhaltige Geldanlagen“ beziffert das Volumen der grünen Geldanlagen in Deutschland auf 335 Milliarden Euro – mit steigender Tendenz. Umfragen zufolge wünscht sich mehr als die Hälfte der Deutschen, dass ihr Geld ökologisch und sozial angelegt ist.

„Wir spüren den Wandel auch im Finanzbereich,“ erklärt Anke Behn von der Verbraucherzentrale Bremen. Die hilft mit dem Portal „Geld bewegt“ beim Vermögensaufbau mit Sinn. Vorher sollte man sich einige Fragen stellen.

1. Was will ich eigentlich?

Grundsätzlich orientieren sich die meisten Geldanlagen am Dreieck aus Sicherheit, Rendite und Verfügbarkeit. Man möchte sein Geld nicht verlieren, es soll im Notfall bereitstehen, und ein wenig Gewinn wäre auch nicht schlecht. Wem es zudem um die nachhaltige Wirkung geht, den treiben zwei Motive an: Man will keine Umweltverschmutzer, Klimasünder oder Waffenkonzerne, also die „Bösen“, unterstützen. Und man will die „Guten“ fördern, etwa erneuerbare Energien oder sozial wirtschaftende Unternehmen. Am konkretesten geht das, indem man direkt in ein Projekt investiert. „Das könnte ein Windpark sein, der private Förderung sucht, ohne die es das Projekt nicht geben könnte“, sagt Anke Behn. Sie verweist aber auch auf die Risiken, die bis zum Totalverlust reichen können. Zwei Milliarden Euro sollen deutsche Anleger seit 2010 bereits in Ökoprojekten versenkt haben. Wer nicht abgeschreckt ist, dem bieten Plattformen wie das „Global Impact Investing Network“ viele hilfreiche Infos. Hier wird die Wirkung des Geldes gemäß der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN bewertet – für alle, die mit niedrigen Renditen leben können und mehr wollen als spenden. Denn viel Gewinn ist mit Bildung oder Biolandwirtschaft in Afrika leider selten zu machen. Ansonsten gelten die beiden klassischen Erfolgskriterien: breite Streuung der Risiken und niedrige Gebühren.

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Investitionen in Projekte wie Windparks zählen zu den nachhaltigsten Geldanlagen – vorausgesetzt, sie sind seriös</p>

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Investitionen in Projekte wie Windparks zählen zu den nachhaltigsten Geldanlagen – vorausgesetzt, sie sind seriös

2. Wie erkenne ich die Fallen?

Zu den beliebtesten Geldanlagen zählen ETFs (Exchange Traded Funds). Sie sind nicht nur günstig und simpel – ein Wertpapierdepot bei einer Bank genügt – sondern bieten auch eine höhere Rendite als die Zinsen auf einem Sparbuch. Wer sein Geld in ETFs anlegt, kauft ein Paket aus Aktienwerten, die in einem Index zusammengestellt sind, etwa dem Dax, der die vierzig wertvollsten deutschen Unternehmen umfasst. ETFs gibt es auch in vorgeblich nachhaltigen Varianten. Werbeprospekte zeigen Sonnenblumen und fröhliche Menschen im Wald, selbst wenn der Index auch Unternehmen enthält, die ihr Geld mit fossilen Energieträgern oder blutigen Rohstoffen verdienen. „Diesem Greenwashing ist kaum beizukommen“, sagt Verbraucherschützerin Behn. Es gebe „keine klare Definition für nachhaltige oder ethisch-ökologische Geldanlagen.“ Die Begriffe seien nicht geschützt.

Auch die ESG-Kriterien der Finanzbranche helfen nur wenig. ESG beurteilt, wie ökologisch (Environmental), sozial (Social) und integer (Governance) gewirtschaftet wird. Mitte 2021 steckten 250 Milliarden deutsche Euro in ESG-Aktienpaketen, etwa ein Fünftel des insgesamt in Fonds angelegten Kapitals. Doch es gibt keine einheitlichen Normen, nach denen bewertet wird, und die Fondsmanager, die diese Aktienpakete schnüren, dürfen die Ratingagentur selbst wählen. Bis zu tausend Kriterien fließen dabei ein, manches wird nur geschätzt. Am Ende steht eine Gesamtnote. Einige Agenturen sortieren einfach nur die größten Bösewichte wie Öl- oder Rüstungskonzerne aus, deren Zulieferer zum Beispiel bleiben häufig drin. Andere wählen nur die „besten“ in ihrer jeweiligen Branche aus. So kann im Extremfall auch ein Waffenhersteller gut abschneiden, wenn er bei seiner Belegschaft auf Gleichberechtigung achtet und in der Kantine Bio-Essen anbietet. In diesem Bewertungsdurcheinander können Unternehmen im gleichen Jahr Spitzenpositionen und Schlussplätze einnehmen – was ethisch orientierten Anlegerinnen und Anlegern nicht weiterhilft.

„Die Intransparenz bei der Bewertung der ESG-Kriterien macht die Aussagekraft so gekennzeichneter Finanzprodukte zunichte“, sagt Thomas Küchenmeister von der Organisation „Facing Finance“. Sie setzt sich für Transparenz bei der Beurteilung von Unternehmen ein. Mit 2000 untersuchten Fonds pflegt „Facing Finance“ die wohl umfassendste Datenbank der in Deutschland gehandelten Finanzanlagen. Hier erfährt man, wie hoch der Anteil kontroverser Unternehmensbeteiligungen am Portfolio ist. Aktuellen Recherchen zufolge sind von 650 ESG-Fonds nur rund hundert gänzlich frei von problematischen Geschäftsfeldern. „Der als nachhaltig ausgewiesene Fonds ‚Xtrackers MSCI Europe Energy ESG Screened ETF 1C‘ vom Vermögensverwalter DWS ist ein dreistes Beispiel“, sagt Küchenmeister. Zu über achtzig Prozent seien darin kontroverse Unternehmen vertreten (Stand Januar 2022). Eine Studie der Bürgerinitiative „Finanzwende“, bei der 314 in Deutschland erhältliche und als „nachhaltig“ deklarierte Fonds analysiert wurden, ergab, dass Milliarden aus diesen Fonds in Unternehmen investiert werden, die ihr Geld mit fossilen Energien oder Verbrennungsmotoren verdienen.

Neben den dehnbaren ESG-Kriterien gibt es weitere Nachhaltigkeitssiegel. Produkte etwa, die das Siegel für Nachhaltige Geldanlagen des Fachmagazins „Ecoreporter“ tragen, können einen Blick lohnen. Das „Forum Nachhaltige Geldanlage“ hat mit seinem FNG-Siegel ein eigenes Gütezeichen erarbeitet und veröffentlicht regelmäßig Untersuchungen zur tatsächlichen Nachhaltigkeit ausgesuchter Fonds. Laut Verbraucherzentrale Bremen bietet das FNG-Siegel eine erste Orientierung für den ökosozialen Mehrwert der analysierten Finanzprodukte. Allerdings fand Facing Finance 2021 bei der Überprüfung von 237 FNG-Fonds lediglich 57, die komplett frei von problematischen Beteiligungen sind.  

Gibt’s auch in grün!

Beliebte nachhaltige Anlageprodukte und was man dazu wissen sollte:

ETFs werden Investmentfonds genannt, die einen Index spiegeln, etwa den Dax. Steigt oder fällt der Dax, tut es ihm der Fonds gleich. Grün deklarierte ETFs sind selten wirklich grün, da strenge Standards fehlen.

Green Bonds sind festverzinsliche Wertpapiere, die mit Umweltabsichten ausgegeben werden. Das kann ein Unternehmen aus grünen Branchen sein oder ein Klimaprojekt. Wie risikoreich die Bonds sind, hängt von der Bonität des ausgebenden Unternehmens ab.

Girokonten bei einer Bank mit nachhaltigem Profil versprechen, dass die Bank ihr Kapital sinnvoll anlegt. Viele der Banken bieten auch Anlagen wie Aktiendepots oder Tagesgeld an, letzteres allerdings zu einer momentanen Nullverzinsung. Eine Übersicht gibt es unter bit.ly/gruenebanken

Direktinvestitionen etwa in Aufforstungsprojekte oder Windparks, grüne Start-ups oder soziale Initiativen sind die wohl konkreteste grüne Geldanlage. Ökobanken bieten die Anleihen auf digitalen Plattformen an, das Risiko soll durch Prüfungen gemindert werden. Die Rendite jedoch ist hier oft eher nachrangig.

3. Wer kann helfen?

Je klarer man sich über das Ziel und die Konditionen der geplanten Geldanlage ist, desto besser kann man in einer Beratung eigene Interessen vertreten. Banken und Versicherer sind nie unabhängig und empfehlen in der Regel eher Produkte, von denen sie selbst in Form einer Provision profitieren. Alternativ dazu kann man sich von unabhängen Beraterinnen oder Beratern gegen ein Honorar helfen lassen, allerdings ist die Berufsbezeichnung „Finanzberater“ nicht geschützt. Bei den Verbraucherzentralen kann man sich online informieren, wie man seriöse Beratungsangebote findet (bit.ly/finanz-beratung).

Wer mit seiner Bank zufrieden ist, kann auch dort nachhaltige Finanzprodukte bekommen, die den Namen verdienen. Allerdings unterstützt man beim Abschluss entsprechender Verträge indirekt die gesamte Geschäftstätigkeit des Unternehmens. Konkret kann das bedeuten, dass eine Bank mit dem Geld ihrer Kunden in erneuerbare Energien investiert und gleichzeitig Kredite für Kohlekraftwerke vergibt. Auf fairfinanceguide.de hat „Facing Finance“ eine Übersicht dazu zusammengestellt, wie fair und nachhaltig Banken und Versicherungen wirklich arbeiten. Hier schneiden die ethischen und ökologischen Banken, die eine Finanzierung von Rüstung und Umweltsündern von vornherein ausschließen, mit Abstand am besten ab.

4. Wie kann ich aktiv werden?

Dass der grüne Finanzmarkt dringend eine strengere Regulierung benötigt, hat die Politik mittlerweile erkannt. Seit diesem Jahr sind Anbieter von Finanzprodukten verpflichtet, alle Nachhaltigkeitsrisiken der darin enthaltenen Unternehmensbeteiligungen zu veröffentlichen. EU-weit ist ein staatliches Siegel für nachhaltige Finanzprodukte geplant, ähnlich dem EU-Biosiegel.

Wer sich bei der positiven Beeinflussung von Unternehmen nicht auf die Politik verlassen will, für den hat Thomas Küchenmeister von Facing Finance einen Rat: selber Druck machen. „Heutzutage kann sich kein Anbieter mehr leisten, die Bedürfnisse nach fairen und nachhaltigen Investments zu ignorieren.“ Deshalb sollte man Versicherer, Banken und Fondsanbieter das auch wissen lassen. Facing Finance hat E-Mail-Formulare eingerichtet, mit denen man unbürokratisch eine integre Investmentkultur einfordern kann (bit.ly/fair-anlegen). Je mehr Anlegerinnen und Anleger ihren Dienstleistern auf die Finger schauen, desto eher wird sich etwas ändern.

Diese und weitere Geschichten finden Sie in der Ausgabe 2.22 „Wildnis Wagen“ des Greenpeace Magazins. Im Schwerpunkt dreht sich alles um den Konflikt zwischen der Sehnsucht nach rauer Schönheit und ihrer wirtschaftlichen Nutzung. Denn Wildnis ist – mit ihren faszinierenden Mooren, üppigen Auen oder schroffen Bergen – die Lebensversicherung einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt und damit auch Garantin unseres Überlebens. Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel, alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!

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