Sie ist wieder da, die gnadenbringende Weihnachtszeit. Nur wenn es um die Umwelt geht, kennen viele im Advent keine Gnade. Doch in unserer Ausgabe 1.22 versprechen wir: auch morgen noch, Kinder, wird’s was geben – wenn bei Tanne, Beleuchtung und Schmuck zu nachhaltigen Alternativen gegriffen wird.

Familie Hoppenstedt ließ schon 1978 die Deutschen kollektiv miterleben, was schieflaufen kann, wenn es am Heiligabend gemütlich werden soll. In dem legendären Loriot-Sketch verdichten sich die Widersprüche des modernen Weihnachtsfestes: Statt der beschworenen Harmonie und Besinnlichkeit herrschen ein gereizter Tonfall und der Konsum-Overkill. Am Ende werden Mutter und Vater vom Verpackungsmüll begraben.

An Aktualität hat die Szene nicht eingebüßt, im Gegenteil. Da wäre zum einen der Weihnachtsbaum, den Vater Hoppenstedt, bevor ihm selbiger auf die Füße fällt, als „grün und umweltfreundlich“ preist. Doch grün ist am Weihnachtsbaum meist nur die Farbe der Nadeln, auch heute noch. Fast dreißig Millionen Bäume werden jedes Jahr in Deutschland verkauft, und die allermeisten stammen von konventionellen Plantagen. Platzhirsch ist mit rund achtzig Prozent Marktanteil die Nordmanntanne, 15 Prozent entfallen auf die Blaufichte, der Rest auf verschiedene Kiefernarten. Der überwiegende Teil der Bäume, die in Wohnzimmern enden, wächst in Deutschland, vor allem im Sauerland. Mit rund 18.000 Hektar – das entspricht der Fläche einer Großstadt wie Karlsruhe – ist es das größte Anbaugebiet. Ein Zehntel der Bäume wird aus Nachbarländern wie Dänemark, Polen, Tschechien und Österreich importiert.

Von all diesen hierzulande verkauften Nadelbäumen wurde nicht einmal jeder hundertste ökologisch angebaut, weiß Rudolf Fenner, langjähriger Waldreferent der Organisation Robin Wood. Im Jahr 2001 begann er, das wohl umfangreichste Verzeichnis empfehlenswerter Baumhändler anzulegen. Er pflegt es auch heute noch, im Ruhestand. Damals gab es Ökobäume an 44 Verkaufsstellen, heute sind es 861.

Siegel schmücken Bäume

Die meisten empfehlenswerten Weihnachtsbäume wachsen nach Kriterien des biologischen Landbaus: in Mischkultur, ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel oder leicht lösliche Mineraldünger. Höhere Standards als das EU-Biosiegel erfüllen Anbauverbände wie Demeter, Bioland und Naturland. Letzterer zertifiziert auch Bäume aus ökologisch ausgerichtetem Waldbau. Sie stammen etwa von Kulturen unter Hochspannungsleitungen, unter denen aus Sicherheitsgründen kein Wald stehen darf. Auf Kahlschlag, Pestizide, Düngung und Entwässerung wird verzichtet. Von diesen Bäumen gibt es allerdings nur wenige.

Das Siegel des Forest Stewardship Council (FSC) für nachhaltigen Waldbau ist in den vergangenen Jahren in die Kritik geraten, weil es etwa an Firmen vergeben wurde, die für Kahlschlag in Regenwäldern verantwortlich waren. Greenpeace kündigte 2018 seine Mitgliedschaft. Laut Robin Wood ist es als Mindeststandard einer verantwortbaren Forstwirtschaft in Europa dennoch empfehlenswert.

Achtung: Das PEFC-Label lässt bei Weihnachtsbaumkulturen Pestizide und Kunstdünger zu.

„Das entscheidende Problem der konventionellen Aufzucht sind die Pestizide und Mineraldünger, die auf den Kulturflächen eingesetzt werden – eine enorme Belastung für Böden, Gewässer und Tierwelt, insbesondere für Insekten“, sagt er. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) hatte 2020 bei einer Untersuchung bei zwei Dritteln aller Bäume Pestizide gefunden, darunter das Insektenbekämpfungsmittel Lambda-Cyhalothrin. Es schädigt Nervenzellen und ist hochgiftig für Bienen und Wasserlebewesen. Bei zertifizierten Plantagen gebe es solche Stoffe natürlich nicht, sagt Fenner, betont aber: „Würde anstelle der Öko-Weihnachtsbaumkultur ein Wald stehen, wäre das natürlich noch mal deutlich besser.“ Denn der speichere deutlich mehr CO2 als eine Kulturfläche mit Bäumen, die in der Regel spätestens nach zwölf Jahren abgeerntet werden.

Kein Baum mag’s warm

Der wohl nachhaltigste Weihnachtsbaum wäre daher eine vorhandene Zimmerpflanze, die entsprechend geschmückt wird. „Aber ein Weihnachtsbaum ist eben auch ein Kulturgut“, findet Fenner. Dieses Jahr stellt auch er einen Baum auf, denn es gibt Familienbesuch. „Ich beziehe ihn aus einer nahen Försterei in Hamburg, der gesamte Waldbestand der Stadt ist seit 1998 FSC-zertifiziert.“ 

Nach dem Fest werde der Nadelbaum im Garten kompostiert. Wer keinen Garten hat: Die meisten Städte sammeln ausgediente Weihnachtsbäume kostenlos ein, manche schreddern sie zu Holzschnitzeln, die den Biomüll für eine bessere Kompostierung auflockern, oder verfeuern sie zumindest, um etwas Strom und Fernwärme zu erzeugen. Der Baum erfüllt also am Ende noch einen Zweck.

Mittlerweile kann man Weihnachtsbäume auch mieten. Allerdings gibt Fenner zu bedenken, dass die Bäume auf Winterruhe eingestellt seien: „Für den Baum bedeutet der Aufenthalt bei Wärme und trockener Zimmerluft Stress.“ Das könne zu irreversiblen Schäden führen. Und wer wollte sich im nächsten Jahr einen solch welken Baum noch aufstellen?

Plastiktannen sollen einer britischen Studie zufolge zwar nach dem zehnten Fest klimamäßig vorteilhafter sein als ihre organischen Vorbilder, doch Umweltverbände raten ab: Herstellung und Entsorgung belasten die Umwelt.

<p class="text-align-center">AM WEIHNACHTSBAUM DIE LICHTER BRENNEN<br />
So könnte er aussehen, der diesjährige Weihnachtsbaum – nachhaltig wär’s jedenfalls. Aber dann bitte die Löschdecke in der Nähe bereithalten</p>

AM WEIHNACHTSBAUM DIE LICHTER BRENNEN
So könnte er aussehen, der diesjährige Weihnachtsbaum – nachhaltig wär’s jedenfalls. Aber dann bitte die Löschdecke in der Nähe bereithalten

Lichtlein oder LED

Hat man sich für irgendeine Version von Baum entschieden, steht die Frage der Beleuchtung an. Laut dem Ökostromanbieter Lichtblick blinkten beim vergangenen Fest in deutschen Haushalten fast 19 Milliarden Weihnachtslichtlein – so viele wie nie zuvor. Und trotz des steigenden Anteils an sparsamer LED-Technik stieg der Stromverbrauch in der Advents- und Weihnachtszeit gegenüber dem Vorjahr um vier Prozent auf 532 Millionen Kilowattstunden – mit dieser Energie könnte eine mittelgroße Stadt ein Jahr lang versorgt werden.

Vielleicht begnügt man sich damit, dass die Einkaufsstraßen bereits wie Landebahnen blinken und zündet zu Hause einfach ein paar Kerzen an. Doch auch hier gibt es ökologische Unterschiede: Ein Großteil der Kerzen besteht aus Paraffin, einem Abfallprodukt der Erdölverarbeitung, ist also per se nicht gut für Umwelt und Klima. Umweltverbände empfehlen Bienenwachskerzen, man sollte sie aber mit Bedacht anzünden. Bienen brauchen viel Zeit und Energie, bis genug Wachs für eine Kerze zusammenkommt – pro Jahr produziert ein Bienenvolk etwa ein Kilo Wachs. Wer sichergehen will, dass sein Konsum nicht zulasten der fleißigen Produzentinnen geht, sollte auf die Siegel der Ökoverbände achten. Sie gewährleisten, dass die Bienen möglichst schonend gehalten werden.

Im Handel findet man immer öfter Kerzen auf Basis von Pflanzenölen aus nachwachsenden und nachhaltig angebauten Rohstoffen wie Raps. Oft sind allerdings die Bezeichnungen unpräzise: Unter Stearin wird alles mögliche vermarktet, von Palmöl bis hin zu tierischen Fetten. Eine Übersicht der Deutschen Umwelthilfe zeigt, aus welchen Quellen das Palmöl verschiedener Hersteller stammt. Das RAL-Gütezeichen garantiert, dass die Inhaltsstoffe von Kerzen Gesundheits- und Umweltstandards einhalten und beim Abbrennen nicht rußen. Bei Teelichten unbedingt zu solchen ohne Alutopf greifen, die man in ein wiederverwendbares Glasschälchen stellt.

Rekordmengen Nippes

Viele Menschen entscheiden sich allerdings gegen punktuell angezündete Kerzen – und für elektrische Dauerbeleuchtung. Für die Feuerwehren eine gute Nachricht, denn die verzeichnen in der Adventszeit laut Gesamtverband der Versicherungswirtschaft noch immer beinahe anderthalbmal so viele Wohnungsbrände wie sonst.

Der BUND ließ 2019 Weihnachtsdeko wie Lichterketten, Christbaumkugeln und Plastikbäume auf Schadstoffe untersuchen. „Das Ergebnis bei den Lichterketten hat uns schockiert“, sagt Janna Kuhlmann, Referentin für Verbraucherschutz. Obwohl alle Produkte laut den Herstellern frei von besorgniserregenden Stoffen sein sollten, waren drei der vier getesteten Ketten so stark mit Schadstoffen wie Chlorparaffinen und Phthalaten belastet, dass sie nicht hätten verkauft werden dürfen. Die Untersuchung führte immerhin dazu, dass die drei Produkte vom Markt genommen wurden – weitere Konsequenzen gebe es für die Unternehmen in der Regel nicht. „Die nachhaltigste Lichterkette ist die, die man schon besitzt“, meint Kuhlmann. Wenn es trotzdem eine neue sein soll, unbedingt auf Produkte mit dem Blauen Engel und LED-Lichtern zurückgreifen. Die Kette sollte weder batteriebetrieben noch mit PVC ummantelt sein – und ausgeschaltet werden, sobald man den Raum verlässt.

Was stinkt denn da?

Die App „Toxfox“ zeigt an, wie giftig ein Produkt ist – in der Datenbank findet sich auch Weihnachtsdeko wie Lichterketten. Fehlt ein Produkt, kann man über die App eine Anfrage an die Hersteller senden. Die sind nach EU-Recht verpflichtet, innerhalb von 45 Tagen offenzulegen, ob ihre Produkte gefährliche Stoffe enthalten.

Was Opa Hoppenstedt beklagte – „Früher war mehr Lametta!“ –, ist aus Umweltsicht zu begrüßen. Zum einen hängen die schillernden Fäden oft aus Bequemlichkeit auch dann noch im Baum, wenn dieser schon auf der Straße liegt. Zum anderen war es Blei, das dem klassischen Lametta seinen matten Glanz verlieh und es glatt herunterhängen ließ. Nostalgiker finden es heute mit Glück noch online, es muss laut Umweltbundesamt aber strenge Grenzwerte einhalten und gehört nach Benutzung in den Sondermüll. Das Lametta aus der Dekoabteilung besteht dagegen oft aus metallisierten Kunststoffen, die bei der Herstellung viel Energie benötigen.

Schon die Hoppenstedts griffen auf eine reichhaltige Auswahl an Plastikdeko zurück, und wen das Gefühl beschleicht, dass die Nippesabteilungen der Kaufhäuser von Jahr zu Jahr größer werden, der liegt statistisch gesehen richtig. Beinahe 21.000 Tonnen weihnachtliche Accessoires wurden 2020 laut Statistischem Bundesamt importiert. Das war ein neuer Rekordwert – fünf Jahre zuvor waren es noch unter 16.000 Tonnen. Für wenige Tage im Jahr werden Unmengen an Plastik- und Elektrozeug produziert, fragwürdige Lieferketten inklusive. Im besten Fall lagert das Ganze dann im Keller und wird nächstes Jahr wieder rausgekramt – im schlechtesten landet alles direkt nach Weihnachten im Hausmüll.

Dabei muss man nur etwa hundert Jahre zurückblicken und sich die Weihnachtsbäume unserer Vorfahren anschauen, um zu verstehen, dass das alles gar nicht nötig ist. Der Schmuck früherer Zeiten glänzte zwar weniger, kam aber aus der Natur und war selbstgemacht: Strohsterne, Holzfiguren, Papierbildchen und mundgeblasene Glaskugeln, die sorgfältig aufbewahrt wurden, dazu Tannenzapfen, Gebäck, Nüsse und Äpfel. Wer aus ethischen Gründen keine Lebensmittel als Schmuck verwenden möchte, könnte den schönen Brauch wiederbeleben, die Tannenäste mit kleinen Kegeltüten zu behängen, in denen Leckereien stecken – die dann nach und nach von der versammelten Verwandtschaft geplündert werden. Das hätte bei den Hoppenstedts vielleicht für neuen Konfliktstoff gesorgt – bei der Umwelt aber für eine fröhliche, womöglich gar selige Weihnachtszeit. 

Hintergrund zum Aufmacherbild – Ein trauriges Exemplar, zumal mit den Lamettaresten, die oft samt Baum entsorgt werden. Unser Fotograf ergatterte es mit viel Glück: Ein Baumhändler erinnerte sich an das gute Stück, das seit einem Jahr vor dem Haus eines Bekannten auf der Straße dahinwelkte.

Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 1.22 Und jetzt alle! des Greepeace Magazins. Im Schwerpunkt dreht sich alles um unsere Zukunft: die Kinder. Wir sagen, was eine enkeltaugliche Politik ausmacht und hören gut zu, wenn junge Menschen aus aller Welt erzählen, wie sie gegen Müll, Rassismus und den Klimakollaps kämpfen. Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel, alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!

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