Ist Deutschlands desaströses Klimaversagen im Verkehrssektor entschuldbar? Kann die FDP womöglich nicht anders? Nein, meint Wolfgang Hassenstein. Auch Minister Wissing kann rational handeln. Mit der richtigen Atemtechnik.

Im Stadtverkehr gibt es ja ab und zu die Situation, dass ein Autofahrer Vollgas gibt, sobald er an einem langsameren Vehikel endlich vorbei ist. Der Motor heult auf, Passantinnen springen zur Seite und tippen sich an die Stirn, und schon muss der Fahrer, meist männlich, sein Auto, meist einen „Sportwagen“, vor dem nächsten Hindernis wieder abbremsen. Ich frage mich dann, ob solche Leute je darüber nachdenken, wie kostbar der Stoff eigentlich ist, den sie da zum Auspuff rausjagen. Ob sie wissen, dass der sinnlos vergeudete Sprit vor Jahrmillionen aus unzählige einzelligen Algen entstanden ist, jede von ihnen ein winziges Meisterwerk der Natur. Ein abwegiger Gedanke, das gebe ich zu, aber ich bin Biologe.

In meinem Studium habe ich auch gelernt, dass es keine echte Willensfreiheit gibt. Experimente hätten gezeigt, dass Entscheidungen schon gefallen seien, bevor sie ins Bewusstsein vordringen. So gesehen wäre der aggressive Autofahrer, nicht unähnlich der Alge, eine Art organischer Roboter, fürs eigene Tun nicht voll verantwortlich. Allerdings ist das Konzept der fehlenden Willensfreiheit umstritten. Forschende in der Schweiz haben jüngst herausgefunden, dass man Entscheidungen meist trifft, während man gerade ausatmet.

Sicher ist, dass starke Emotionen wie Wut oder Angst vernünftige Entscheidungen erschweren – fatal, wenn sich das auf die Politik auswirkt. Könnte es sein, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck bei seinen maßlosen LNG-Einkäufen (Seite 74) und dem Lützerath-Deal von übertriebener Angst vor einem Wirtschaftskollaps in seiner Regierungszeit getrieben war? Und dass die FDP, gerade wenn es um den emotional aufgeladenen Verkehr geht, aus Furcht vor den eigenen Wählern nicht zu rationalen Entscheidungen in der Lage ist? Mit Volker Wissing stellt die Sportwagenfahrerpartei den zuständigen Minister, und der hält starr an Asphalt und Verbrennern fest, obwohl der Verkehr, was die nötigen CO2-Einsparungen angeht, der Loser im deutschen Klimaschutz ist.

Wissing möchte „im öffentlichen Interesse“ viele Autobahnen acht und gar zehnspurig ausbauen. Das sei „im Sinne des Klimaschutzes“, pflichtet ihm Parteichef Christian Lindner bei, denn: „Durch Staus und Umwege unnötig produziertes CO2 können wir reduzieren, wenn unsere Autobahnen besser ausgebaut und verbunden sind.“ Dabei ist längst erwiesen, dass mehr Straßen und mehr Spuren mehr Verkehr nach sich ziehen – und dann auch wieder mehr Staus.

Wissing und Lindner stemmen sich auch da gegen, die Kfz- und Dienstwagensteuer am CO2-Ausstoß auszurichten, um Elektroautos attraktiver zu machen, deren Absatz wegen sinkender Fördergelder zuletzt eingebrochen ist. Und sie verhindern, eines meiner Lieblingsthemen an dieser Stelle: das generelle Tempolimit auf Autobahnen.

Dabei hängt alles mit allem zusammen. Ein Tempolimit würde neuen Berechnungen zufolge zwei einhalbmal so viel CO2 einsparen wie bisher angenommen. Auch E-Autos, die sich zum Rasen nicht gut eignen, würden damit attraktiver. Und Staus an Autobahnengpässen ließen sich selbst ohne generelles Limit reduzieren – mit mehr flexiblen Tempo-Obergrenzen je nach Verkehrsdichte.

Man muss es nur wollen und – meinetwegen beim Ausatmen – vernünftige Entscheidungen treffen.