Immer mehr und immer heftigere Hitzewellen bedrohen weltweit Pflanzen, Tiere und Menschen. Fußball-WMs und Energiepartnerschaften mit Wüstenemiraten erscheinen da umso zweifelhafter, findet Wolfgang Hassenstein

Neulich durchquerte eine Hummel im Tiefflug unseren Hinterhofgarten. „Hey“, rief ich ihr zu und schickte ein „Na du?“ hinterher, aber da war sie schon über den Gartenzaun. Der spontane Versuch der Kontaktaufnahme mit einem Insekt blieb unerwidert.

Ich frage mich, ob es nur mit meinem Wissen ums Artensterben zu tun hat oder auch altersbedingt ist, dass ich immer empfänglicher werde für die Wunder der Natur. Jedes sechsbeinige Tier, das mich nicht sticht, bereitet mir inzwischen Freude. Und die dicklichen Pollen- und Sympathieträger, denen die Schwerkraft egal zu sein scheint, sind mir mit die liebsten.

Tatsächlich gibt es gute Gründe, jede Hummel zu begrüßen. Die Tiere sind nämlich nicht nur durch Pestizide bedroht wie so viele Insekten, sie reagieren auch besonders empfindlich auf steigende Temperaturen. Das liegt an ihrem wärmenden Pelz, der es ihnen erlaubt, ihrem Bestäuberjob weiter im Norden und höher in den Bergen nachzugehen als andere Wildbienen: Je nach Art fallen sie ab einer bestimmten Temperatur tot zu Boden. So hat sich die südliche Verbreitungsgrenze vieler Hummelarten bereits um 300 Kilometer nach Norden verschoben – aber leider gelingt es ihnen nicht, ihr Areal entsprechend nordwärts auszudehnen. Das Klima wandelt sich so rasch, dass sie sich nicht rechtzeitig anpassen können.

Es ist ein Schicksal, das Hummeln mit vielen Geschöpfen auf dem Planeten teilen. Mit Korallen etwa: Das australische Great Barrier Reef wurde gerade von der vierten Massenbleiche in sieben Jahren heimgesucht. Und, ja wirklich, mit Kakteen: Jeder zweiten Art dieser ohnehin hochgefährdeten Pflanzenfamilie droht durch zunehmende Hitze und Dürre bis Mitte des Jahrhunderts ein erhöhtes Aussterberisiko, warnt eine aktuelle Studie im Fachblatt „Nature Plants“.

Verglichen mit Hummeln, Korallen und Kakteen sind wir Menschen flexibel: Wir können den Schatten aufsuchen, wenn es zu heiß wird, mehr Wasser trinken und die Arbeit einstellen. Genau das haben Millionen Inderinnen und Pakistaner in den letzten Monaten immer wieder getan. Schon seit März und damit viel zu früh im Jahr wurden beide Länder von einer Hitzewelle nach der anderen überrollt, bis zu fünfzig Grad heiß und mit schlimmen Folgen für die Landwirtschaft und die Gesundheit vieler Menschen – bis hin zu Hitzschlägen mit Todesfolge.

Denn nicht immer lassen die Arbeitsbedingungen Ruhepausen zu – wie zum Beispiel auf den WM-Baustellen in Katar, in deren schwüler Hitze sich in den letzten Jahren Tausende Gastarbeiter totschufteten, auch sie oft aus Indien und Pakistan. Laut „Guardian“ wurden die Fälle weder ausreichend untersucht noch die Familien in den Heimatländern entschädigt.

Die Stadien aber sind aufwendig klimatisiert – unter vielen Sitzen strömt kühlende Luft hervor. Zudem wurde der WM-Anpfiff, auf den wir uns sonst in diesen Tagen freuen könnten, auf November verlegt.

Katar hat übrigens die mit Abstand höchsten Pro-Kopf-CO2-Emissionen der Welt. Das hat mit den vielen Klimaanlagen zu tun –  und mit der klimaschädlichen Produktion von Flüssiggas. Um dieses Flüssiggas zu importieren, hat die deutsche Bundesregierung mit dem Emirat nun feierlich eine „Energiepartnerschaft“ geschlossen. In Zeiten von immer mehr tödlichen Hitzewellen erscheint das ebenso fragwürdig wie ein riesiges Sportturnier in der Wüste.