In Zusammenarbeit mit der kenianischen First Lady, Margaret Kenyatta, diversen NGOs und der Fernsehserie „Wildlife Warriors“ kämpft Paula Kahumbu seit Jahrzehnten für den Erhalt von Lebensräumen und Wildtierbeständen in ihrem Land – und hat dabei Beachtliches erreicht. So ist die Zahl der getöteten Elefanten in nur fünf Jahren um achtzig Prozent gesunken. Den Dickhäutern war Kahumbu als junge Feldforscherin in Kenia ungewöhnlich nah gekommen – und hat deren Schutz zu ihrer Lebensaufgabe gemacht. Im Interview erzählt Kahumbu, warum nur die afrikanische Bevölkerung selbst ihre Wildnis und Tierwelt retten kann

Frau Kahumbu, wann haben Sie Ihr Interesse für Tierschutz entdeckt?

Eine meiner ersten Aufgaben als junge Ökologin war es, eine Bestandsaufnahme der zwölf Tonnen Elfenbein in unserem Land zu machen, die Kenia anschließend verbrannt hat. Das war 1989 und sollte ein Zeichen gegen den illegalen Handel setzen. Damals wurde mir zum ersten Mal das ganze Ausmaß bewusst. Ich fand es so erschreckend, wie viele Elefanten für Elfenbein abgeschlachtet werden, und dass sogar ganz junge Tiere, winzige Babys, unter den Opfern sind. Wir waren auf dem besten Weg, Elefanten in unserem Land auszurotten. Das wollte ich verhindern und begann die riesigen Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu erforschen.

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Bei Ihrer Feldforschung sind Sie einer Elefantenherde ungewöhnlich nah gekommen. Wie kam es dazu?  

Ich musste immer sehr vorsichtig sein, wenn ich in freier Wildbahn gearbeitet habe, denn obwohl die Tiere so riesig sind, sind sie schwer zu sehen und bewegen sich beinah lautlos durch das Dickicht. Einmal habe ich nicht aufgepasst, als ich im Wildschutzgebiet von Shimba Hills Bäume ausgemessen habe. Da stand plötzlich eine komplette Elefantenherde um mich herum. Ich hatte ein kleines Team und mein Baby auf einer Decke dabei. Wir haben uns rückwärts auf Zehenspitzen zurückgezogen und sind dann weggelaufen. Die Elefanten zeigten sich von unserer Anwesenheit unbeeindruckt, als würden wir sie gar nicht weiter stören. Durch solche Momente habe ich die Dickhäuter jedes Mal ein bisschen besser kennengelernt und entwickelte so ein tiefes Verständnis und eine besondere Liebe für ihre Art. Und kam dadurch auch zum Entschluss, dass es meine Lebensaufgabe ist, Elefanten gegen den Elfenbeinhandel zu beschützen.

Kenia hat viel vom erbeuteten Elfenbein bewusst zerstört, im Jahr 2016 wurden sogar 105 Tonnen Stoßzähne im Wert von rund 88 Millionen Euro verbrannt. Was war das Ziel?

1989 hat Kenia zum ersten Mal seinen Elfenbein-Bestand zerstört, und das dann noch vier weitere Male gemacht. Damit sollte ein Signal an die Welt gesendet werden, dass wir unser Elfenbein niemals dem Weltmarkt überlassen werden. Weil jedes Stück, das verkauft wird, die Nachfrage ankurbelt und damit auch Wilderei begünstigt. Nur wenn wir Elfenbein, die Hörner der Nashörner und die Häute von gefleckten Katzen vernichten, können wir sicherstellen, dass diese nicht gestohlen werden und auf dem Schwarzmarkt landen. Das ist vom Prinzip das Gleiche wie die Verbrennung von Kokain oder anderen Drogen – sie werden dem Markt entzogen.

In der Klimabewegung sind viele der Schlüsselpersonen weiblich, und auch beim Tierschutz sind auffällig viele Frauen aktiv. Woher kommt das?

Frauen sind in der Regel mitfühlender und geduldiger. Ich meine damit, dass wir einfach ein Gespür dafür haben, was bei gewissen Konflikten getan werden muss. Und dann haben wir auch noch das notwendige Durchhaltevermögen, um Sachen bis zum Ende durchzuziehen.

© Nick van Renen / WildlifeDirect© Nick van Renen / WildlifeDirect

Für Ihren Ansatz, dass die Umweltprobleme auf dem afrikanischen Kontinent nur unter afrikanischer Leitung in den Griff zu bekommen sind, haben Sie den Preis „Explorer of the Year 2021“ von Rolex und National Geographic gewonnen. Können Sie erklären, warum es so wichtig ist, wer die Probleme löst?

Lösungen, die Menschen von außen aufgedrückt werden, scheitern häufig. Weil sie sich dann nicht dafür verantwortlich fühlen und spezifische Umstände manchmal individuelle Herangehensweisen erfordern. In meiner Erfahrung klappt es am besten, wenn die Leute vor Ort das Problem selbst identifizieren. Afrika ist ein sich schnell entwickelnder Kontinent, der immer noch versucht, vermeintliche Vorbilder wie Asien oder Europa nachzuahmen. Dabei setzen wir unsere Natur für kurzfristige Erfolge und eine Entwicklungspolitik aufs Spiel, die Nachhaltigkeitsaspekte außen vor lässt. Das wird uns auf die Füße fallen und zu mehr Armut und Konflikten auf dem afrikanischen Kontinent führen. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass das Wohl der afrikanischen Bevölkerung die erste Priorität bei allen wichtigen Fragen ist, und das heißt auch, die Gefahren von Klimawandel und Artensterben ernst zu nehmen. Wir brauchen in Afrika eine klima-, umwelt- und tierfreundliche Politik, die zu sauberer Luft, sauberem Wasser und besseren Ernährungsgrundlagen für alle führt. Das wäre eine Politik im Interesse der hier lebenden Menschen – und wenn wir nicht darum kämpfen, macht das keiner. Die afrikanische Wildnis und Artenvielfalt wird auf der ganzen Welt gerühmt. Nun ist es an uns, den Menschen, die hier zuhause sind, diese Natur zu lieben, zu pflegen und zu beschützen.

Was heißt das konkret?

Wir vor Ort können Lösungen entwickeln, die für uns unter den gegebenen Umständen am besten funktionieren. Ein gutes Beispiel ist der kenianische Hirtenjunge Richard Turere, der noch ein Kind war, als er ein mit Solarzellen betriebenes Lichtsystem entwickelte, um seine Kuhherde vor Löwen zu beschützen. Und es hat gut funktioniert – die Kühe wurden in Ruhe gelassen und auch die Löwen kamen zwar ohne Beute, aber lebend davon.

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Wodurch sind Wildtiere und Umwelt in Kenia am stärksten gefährdet?

Der Klimawandel verstärkt eine nicht nachhaltige Bodennutzung, führt zu Raubbau unserer Naturschutzgebiete und zerschneidet Ausbreitungsgebiete von Wildtieren. Ein weiteres Problem ist die Wildtier-Kriminalität. Während das Wildern von Tieren wie Elefanten und Nashörnern, für die man viel Geld bekommt, in Kenia unter Kontrolle ist, geht die Jagd für den Eigenbedarf weiter und das hat gravierende Auswirkungen auf die Tierwelt. Wenn beispielsweise viele Antilopen geschossen werden, schwenken deren natürliche Feinde, Geparden und Löwen, auf kleine Herden von Nutztieren wie Ziegen um und werden dafür von den Besitzern erschossen. Am Ende führt die Jagd auf Antilopen dazu, dass der Bestand von Geparden und Löwen dramatisch abnimmt.

Inwiefern ist Ihre Herangehensweise, Wildtiere und Wildnis zu schützten, ein Beispiel für andere Teile der Welt?

Menschen mit Natur und Tieren zu verbinden, einen Bezug zwischen ihnen herzustellen, ist die Lösung für alle überall. Ein Verständnis für andere Arten baut Mitgefühl und Liebe auf, und das führt wiederum dazu, dass Menschen sich verantwortlich fühlen und etwas unternehmen, wenn Lebensräume oder Tierbestände bedroht sind.

Wenn Sie entscheiden könnten, was die Menschheit in Zukunft ändern muss, was wären Ihre drei wichtigsten Forderungen?

Wir müssen aufhören, fossile Energieträger zu nutzen, die Anwendung von Pestiziden muss gestoppt werden und alle künftigen Handlungen und Entscheidungen sollten darauf ausgerichtet sein, dass sie nicht nur umweltverträglich sind, sondern dass sie der Natur von Nutzen sind.  

Das Interview wurde via E-Mail geführt. Weitere Gespräche mit couragierten Frauen können Sie hier lesen. Paula Kahumbu porträtieren wir auch als „Widerständige“ im Heft 6.21 „Yes She Can“ des Greenpeace Magazins. Im Schwerpunkt dreht sich alles um inspirierende Frauen weltweit, die sich gegen die Zerstörung der Lebensgrundlagen und für gerechtere Gesellschaften einsetzen. Darin können Sie lesen, wie viele an die Schalthebel der Macht drängen, um es anders zu machen und den Wandel voranzutreiben – als Anwältinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen oder Aktivistinnen. Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel, alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!