Liebe Leserinnen und Leser,

die Grillsaison hat begonnen. Diese Nachricht hätte in diesem erstaunlich warmen Januar noch gefehlt, in dem Krokusse blühen, Münchner Biergärten öffnen und Fotos schmaler Skipisten kursieren, geschrumpft zu weißen Linien in teils schon ergrünter Alpenlandschaft. Da halfen nicht einmal mehr Schneekanonen, auch Aufschüttversuche per Hubschrauber blieben (zum Glück) erfolglos. Selbst wenn es jetzt zum Ende des Monats wieder kälter wird, die unheimliche Bilanz bleibt: Die erste Januarhälfte war die heißeste seit Beginn der Messungen 1881.

Schoko mit Schrecke

Aber es ist nicht nur gefühlt schon wieder Grillsaison, es ist auch Grillensaison. Pünktlich vor dem Finale des Dschungelcamps hat die Europäische Kommission am Dienstag nach Mehlwurm und Heuschrecke nun auch die Hausgrille Acheta domesticus als Lebensmittel zugelassen, genauso wie die Larven des Getreideschimmelkäfers. Beide Arten dürfen künftig gefroren, getrocknet, pulverisiert oder als Paste beigemischt verkauft werden. Bislang haben sich zwei Lebensmittelunternehmen die Erlaubnis für den Vertrieb erteilen lassen. Man stelle sich nur die Möglichkeiten vor: Insekten könnten bald in Brot, Suppen, Fleisch- und Milchersatz, Kartoffelprodukten oder Schokolade stecken. Der Markt dafür ist noch sehr klein, auch deswegen sind Lebensmittel mit Wurm drin bislang deutlich teurer als ohne.

Igitt? Zugegeben, was krabbelt und kriecht, klingt in europäischen Ohren nicht gerade appetitlich. Die Welternährungsorganisation (FAO) sieht darin allerdings einen Baustein für eine klimafreundliche und gesunde Nahrungsversorgung. Statt sich die Angelegenheit vorschnell madig zu machen, könnte man sich zumindest die delikate Frage stellen, warum hierzulande viele Menschen tierisches Eiweiß in Insektenform ablehnen, aber kein Problem damit haben, Schlachtabfälle in Süßwaren zu essen. Oder wie wir den weltweiten Bedarf an Proteinen decken, ohne unsere Lebensgrundlagen zu zerstören. Alles Fragen, bei denen Veganer und Vegetarierinnen meist schon weiter sind – ihnen bleibt diese Dschungelprüfung erspart.

Tank leer

Nicht mehr fragen muss sich seit dieser Woche Jacinda Ardern, wie sie ihr Amt als Premierministerin trotz Überbelastung fortführen soll: „Ich weiß, was man für diesen Job braucht, und ich weiß, dass ich nicht mehr genug im Tank habe“, sagte sie in ihrer Rücktrittsrede unter Tränen. In ihrer fünfjährigen Amtszeit musste sie viele Krisen managen: darunter den Terroranschlag von Christchurch, einen Vulkanausbruch, Corona. Meine Kollegin Frauke Ladleif hatte in unserem Frauen-Schwerpunkt (Ausgabe 6.21) Arderns politisches Ziel beschrieben, den Wohlstand ihres Landes nicht mehr nur am Wirtschaftswachstum zu bemessen, sondern auch am Wohlergehen von Mensch und Natur.

In Erinnerung würden nun jedoch vor allem ihr empathischer, fürsorglicher Führungsstil bleiben, ihr öffentlich vorgelebter Spagat zwischen Familie und Beruf, heißt es in vielen Medien zum Abschied. Mag schon sein, aber hätte man solche Maßstäbe auch an einen Mann angelegt? Jedenfalls blieben solche Haltungsnoten aus, als Arderns Amtsvorgänger John Key 2016 auch mit „nichts mehr im Tank“ zurücktrat. Apropos, Männer und Zurücktreten. Diese Woche verkündete Markus Söder – manche würden sagen: er drohte an –, nun doch länger als die versprochenen zehn Jahre Bayerns Ministerpräsident bleiben zu wollen. Ab 2028 gelte für ihn „zehn plus“, aufgrund der vielen Krisen sei einfach ein „langer Atem“ nötig. Zurücktreten oder am Sessel kleben – was für unterschiedliche Schlüsse man aus Krisen doch ziehen kann.

Alle Vögel sind… im Wald

Tatsache ist: Wir brüten derzeit emsig über der neuen Ausgabe des Greenpeace Magazins, deren Schwerpunkt sich um die ebenso faszinierende wie bedrohte Vogelwelt drehen wird. Passend dazu veröffentlichte der Nabu gerade die Ergebnisse seiner diesjährigen Winterzählung, an der sich 99.000 fleißige Bürgerinnen und Bürger beteiligt hatten. Ergebnis: Dieses Jahr kamen deutlich weniger Vögel an die Futterstellen als im Vorjahr. Besonders selten wurde neben Kernbeißer, Buntspecht und Buchfink der Eichelhäher gesichtet. Laut Nabu liegt das unter anderem an der großen Fülle an Baumfrüchten. Die Vögel sind nicht weg, sie schlagen sich nur lieber im Wald den Bauch voll.

Alles gut also? Nicht ganz: Häufiger aufeinanderfolgende Mastjahre, wie sie zuletzt aufgetreten sind, zehren in Zeiten der Klimakrise die Wälder aus – was irgendwann auch den Vögeln zum Verhängnis wird. Was die geflügelten Zeitgenossen sonst noch bedroht, wie wir ihnen helfen können und allerhand Erstaunliches aus der bunten Vogelwelt lesen Sie – pünktlich zur Rückkehr der Zugvögel – vom 3. März an im fertigen Heft.

Und weil in der Redaktion gerade so viel los ist, pausiert die Wochenauslese am kommenden Freitag, die nächste Ausgabe dieses Newsletters erhalten Sie am 10. Februar. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!

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Unterschrift

Thomas Merten
Redakteur