Leseecke

Waldwesen

Alte, naturbelassene Wälder sind Lebensraum für faszinierende Geschöpfe jeder Form und Farbe

Blasser Pfifferling

Die Wurzeln des Widerstands

Blasser Pfifferling

Wonach es den Menschen gelüstet, das züchtet er: Gemüse im Gewächshaus, Fleisch im Labor. Der Pfifferling aber lässt sich nicht kultivieren, er lebt als Mykorrhizapilz: In unterirdischer Symbiose umspinnt sein feines Pilzgeflecht Pflanzenwurzeln. So versorgt etwa eine Buche den Blassen Pfifferling – weniger farbintensiv als der Echte, aber ebenso lecker – mit Kohlenhydraten. Cantharellus pallens revanchiert sich mit Wasser und mineralischen Nährstoffen und hält Schadstoffe ab.

Doch Pilze leiden unter der Stickstoffbelastung etwa durch Dieselmotoren und Landwirtschaft, schon ab sechs Kilogramm Eintrag pro Hektar und Jahr, ergab eine Studie. Hierzulande sind es im Mittel 14.

Die gute Nachricht: Gesammelt zu werden, stresst Pilze kaum. Pfifferlinge stehen aber unter besonderem Schutz und dürfen deshalb laut Artenschutzverordnung nur „in geringen Mengen für den eigenen Bedarf“ gepflückt werden.

Blasser Pfifferling

Schwarzstorch

Schillernde Urwald-Diva in Nahrungsnot

Schwarzstorch

Einige der Webcam-Bilder waren ein bisschen wie aus dem Dschungelcamp: schier unerträglich. Sieben Jahre lang übertrug der Ungarische Nationalpark live die Geschehnisse aus einem von rund vierzig Schwarzstorchnestern im Gemencer Wald: Vögel bei der Paarung, beim Brüten, bei der Aufzucht. Doch dieses Jahr reichte der niedrige Pegel der Donau nicht, um den Wald wie sonst zu fluten. Die Schwarzstörche fanden für ihren Nachwuchs kaum Nahrung wie Fische, Frösche oder Larven des Feuersalamanders.#

Da Ciconia nigra nicht von Schnabel zu Schnabel füttert, sondern die Beute in den Horst würgt, lässt sich kaum steuern, welches Küken wie viel frisst. Einer der Störche warf daher zum Schutz der Überlebensfähigeren das schwächste Junge aus dem Nest. Das war für die Zuschauer zu viel – wieso denn niemand helfe? Von ethischen Abwägungen abgesehen, sind Schwarzstörche sehr scheu und ließen wohl Nest und Brut zurück, würden sie gestört. Mit rund 700 Brutpaaren, Tendenz steigend, gelten sie in Deutschland übrigens nicht mehr als gefährdet.

Zu finden – oder zu suchen – sind sie in naturbelassenen Wäldern mit Gewässern. Große Bäume, deren Äste ihren gewaltigen Horst tragen können, sind oft Habitatbäume. Um trotz ihrer Spannweite von zwei Metern den Weg durch die Kronen zu finden, fliegen die schillernden Vögel mit angewinkelten Schwingen. „Alter deutscher Urwaldheimlichkeit letztes Vermächtnis“ nannte Naturdichter Hermann Löns den Schwarzstorch treffend.

Schwarzstorch

Buchdrucker

Berserker zwischen Baum und Borke

Buchdrucker

Ein Buchdrucker kommt selten allein. Eigentlich nie. Stets treten die Borkenkäfer in marodierenden Banden auf und haben ein klares Ziel: Fichten und andere Nadelbäume. Pionierkäfer wählen einen Stamm – frisch abgestorben, durch Trockenheit geschwächt oder ab einer Bandenstärke von 200 Käfern auch gesund – und bohren ihn an. Pheromone signalisieren den Artgenossen, dass es hier etwas zu holen gibt. Wer keinen Platz mehr ergattert, fliegt einen Baum weiter.

Dann legen die Männchen nicht etwa Liebesnester an, nein: sogenannte Rammelkammern. Wiederum mit Pheromonen locken sie Weibchen hinein, die nach der Paarung Eier entlang eines Gangs ablegen. Die Larven fressen sich durchs Holz, wobei die Muster entstehen, denen der Buchdrucker seinen Namen verdankt, weil man einst meinte, eine Ähnlichkeit mit arabischen Schriftzeichen zu erkennen.

Der Klimawandel macht den fünf Millimeter großen Käfern das Leben leicht, weil die Bäume wegen Wassermangels zu wenig Harz produzieren, um sie abzuwehren. Zudem hat Ips typographus mehr Zeit für die Vermehrung. 2019 und 2020 bringt er es in Deutschland teils auf drei Generationen jährlich – das entspricht 100.000 Nachkommen pro Weibchen. Natürliche Feinde wie Parasiten und Pilze, Ameisenbuntkäfer, Dreizehenspecht und die Kahlrückige Waldameise können die Plage nur mildern.

Also macht sich der Mensch ans Werk und fällt, was befallen ist. Allerorten werden Helfer gesucht, um zu kontrollieren und gefällte Bäume zu entrinden. In Sachsen und Rheinland-Pfalz ist sogar die Bundeswehr im Einsatz gegen die Berserker.

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Feuersalamander

Halt’ durch, Lurch!

Feuersalamander

Kaum ein Lurch hat solche Popularität erlangt wie der Feuersalamander. Der ist, jedenfalls älteren Jahrgängen, als Comicfigur Lurchi wohlbekannt. Doch schallt es auch in Zukunft noch: „Salamander lebe hoch“?

Der Feuersalamander ringt nämlich mit einer Plage. Ein wohl aus Südostasien eingeschleppter Pilz bedroht die Amphibien in Deutschland, Belgien und den Niederlanden, wo er binnen sieben Jahren eine Population bei Maastricht nahezu dahingerafft hat. Auch in Eifel und Ruhrgebiet gab es bereits Massensterben. Gegen den Pilz, der sich von Proteinen der Lurchhaut ernährt, ist selbst das Gift wirkungslos, das Salamandra salamandra in Drüsen gegen andere Pilze sowie Fressfeinde bereithält.

Er selbst frisst gern Schnecken und Regenwürmer, die in genüsslichem Tempo durch kühle, alte Laubwälder kriechen. Gewässer brauchen die Weibchen nur, um Larven abzulegen – die sich dann zu lungenatmenden Landbewohnern wandeln.

Feuersalamander

Eichenprozessionsspinner

Nesselnde Fresskarawane

Eichenprozessionsspinner

An lauen Sommerabenden in Gesellschaft speisen – wer mag es nicht. Die Raupen des Eichenprozessionsspinners jedenfalls kriechen in meterlangen Prozessionen Bäume hinauf und knabbern sich durchs Blattwerk von, na klar, Eichen. Das ist für einen gesunden Baum kein Problem, er treibt neu aus. Wird er aber wiederholt von Raupe Nimmersatt befallen, sieht die Sache anders aus.

Mit einer weiteren Eigenschaft machen sich die Tiere, die die längste Zeit als Raupe leben und nur wenige Nächte als flauschige Falter umherflattern, allerdings noch unbeliebter: Einen Monat nachdem sie im April oder Mai geschlüpft sind, wachsen ihnen winzige Brennhaare. Mit jeder Häutung nimmt deren Zahl zu, bis die rund fünf Zentimeter langen Raupen etwa 600.000 davon tragen. Sie brechen leicht ab und setzen dann ein Nesselgift frei, das starke allergische Reaktionen hervorrufen kann – von großen Quaddeln bis hin zu Atembeschwerden.

Thaumetopoea processionea vermehrt und breitet sich rasant aus. In Brandenburg etwa stieg die befallene Fläche binnen vier Jahren von 815 Hektar auf das Siebenfache. Die Folge: Myriaden von Gifthärchen, deren Wirkung auch nach Jahren nicht verfliegt. Mit riesigen Saugern rückt man den Raupen zuleibe, neuartige Klebemittel sollen die Härchen in den Gespinsten halten. Ob mit Chemie oder der Hilfe von Parasiten und Fressfeinden wie dem Großen Puppenräuber, der Meise und der Kahlrückigen Waldameise – bisher können die Massenvermehrungen nur gemildert werden. Zu gut sind die Lebensbedingungen in unserem zunehmend warmen und trockenen Klima.

Eichenprozessionsspinner

Bechsteinfledermaus

Altbaumwohnung dringend gesucht

Bechsteinfledermaus

aumhöhlen sind wie Altbauwohnungen in Großstädten – rar und begehrt. Damit aus abgebrochenen Ästen und anderen Verletzungen Hohlräume entstehen können, braucht es Zeit. Die räumt man den Bäumen aber selten ein. Nur elf Prozent des deutschen Baumbestands sind zwischen 120 und 160 Jahren alt, nur drei Prozent noch älter. Bechsteinfledermäuse leben aber vor allem in solch alten Wäldern, die oft mit mehr als zwanzig Baumhöhlen pro Hektar aufwarten. Denn Myotis bechsteinii wechselt – anders als altbaubewohnende Großstädter – gern häufig ihr Quartier, wohl um Parasiten und Fressfeinden auszuweichen. Umso wichtiger sind Höhlen, wie sie etwa der Mittelspecht anlegt.

Die passende Behausung ist aber nur die halbe Miete. Neben den Höhlenbäumen müssen genügend andere stehen bleiben, denn diese Fledermaus braucht ein dichtes Kronendach, von dessen Blättern sie allabendlich Insekten sammelt. Motten jagt sie im Flug, und auch vom Boden liest sie Beute auf. Dabei lauscht sie mit ihren großen Ohren nach im Laub raschelnden Raupen, Käfern und Spinnen.

Etwa ein Viertel der Population lebt in Deutschland, sie ist hier deshalb eine Verantwortungsart und auch nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geschützt. Man kann mit ehrwürdigen Wäldern also die Bechsteinfledermaus retten. Es geht aber auch umgekehrt – wie im Falle des Hambacher Waldes, dessen Rodung ihretwegen gerichtlich gestoppt wurde.

Weitere spannende Geschichten können Sie in der Ausgabe des Greenpeace Magazins 5.20 „Waldleben“ lesen. Unser Schwerpunkt nimmt Sie mit auf eine Reise durch das bedrohte Paradies. Das Greenpeace Magazin erhalten Sie als Einzelheft in unserem Warenhaus oder im Bahnhofsbuchhandel, alles über unsere vielfältigen Abonnements inklusive Prämienangeboten erfahren Sie in unserem Abo-Shop. Sie können alle Inhalte auch in digitaler Form lesen, optimiert für Tablet und Smartphone. Viel Inspiration beim Schmökern, Schauen und Teilen!

Bechsteinfledermaus

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