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Leben mit der Corona-Krise - «Rote Nasen» und Gratis-Konzerte

Berlin (dpa) - Solidarisch sein und anderen eine Freude machen: In der Corona-Krise werden die Menschen kreativ und finden ihre Wege, um Nähe auch auf Distanz zu schaffen. In einigen Bereichen ist man mit dem Ausweichen ins Internet allerdings noch nicht so weit - zum Beispiel bei Gerichtsverhandlungen. PARTY AM MITTELMEER Von den Ausgangsbeschränkungen lassen sich die Menschen in Tel Aviv nicht die Partystimmung verderben. Mitten in der Corona-Krise hat die israelische Stadt eine Sonnenuntergangs-Party mit DJ im Internet geplant. Die Party sollte am Freitag (3.4.) von 16.00 Uhr bis 17.00 Uhr (deutscher Zeit) von der Dachterrasse der Stadtverwaltung aus gesendet werden, teilte die Küstenstadt mit. Sie sollte auf Facebook und über die Videokonferenzsoftware Zoom übertragen werden, «damit Anwohner und Menschen auf der ganzen Welt teilnehmen und in ihren Wohnzimmern tanzen können», hieß es in der Mitteilung. Tel Aviv liegt am Mittelmeer und hat rund 430 000 Einwohner. DER CARUSO VON HANNOVER Aufmunterung in der Krise: Der Hannoveraner Schlagersänger Freddy Caruso alias Fred Meier-Klocker singt derzeit vor Altersheimen. Mit seinem mobilen Verstärker postiert er sich vor den Gebäuden, während die Bewohner auf Balkonen oder im Atrium mit geöffneten Flügeltüren den Liedern lauschen. «Bis nach Ostern habe ich alle zwei Tage einen Auftritt», erzählt der 73-Jährige. Beim letzten Mini-Konzert vorm Marienstift in Barsinghausen bei Hannover hörten mehrere Dutzend Bewohner zu, Pflegerinnen forderten zum Tanz auf. Seit drei Jahren bietet der Sänger Wattfahrten zwischen Cuxhaven und der Insel Neuwerk an - mit Gesang. Doch wegen der Corona-Krise sind diese bis auf Weiteres gestrichen, so habe er nun einige freie Zeit. RUMPRODUZENT SATTELT UM Der für seine Spirituosen weltbekannte venezolanische Rumhersteller Santa Teresa hat wegen der Corona-Pandemie einen großen Teil der Produktion auf antiseptischen Alkohol umgestellt. Dies teilte das Unternehmen, dessen Besitzer Alberto Vollmer Nachfahre eines Hamburger Kaufmanns ist, am Donnerstag (Ortszeit) mit. In weniger als zehn Tagen habe die Destillerie in der Nähe von Revenga - 80 Kilometer von der Hauptstadt Caracas entfernt - ihre Produktlinie angepasst, ein spezielles Etikett erstellt und die erforderlichen Genehmigungen bekommen. So zitierte die venezolanische Zeitung «El Universal» Andrés Chumaceiro, einen der Geschäftsführer. «ROTE NASEN» FÜR ALLE Ob krank oder gesund, groß oder klein: Wegen der Corona-Krise kann nun jedermann den «Rote Nasen»-Klinikclowns im Netz beim Quatschmachen zusehen und sich aufheitern lassen. «Mit dieser virtuellen Aufmunterung wollen wir zeigen, dass die Menschen nicht alleine sind und wir sie weiterhin beim Gesundwerden unterstützen, auch wenn wir sie nicht live besuchen können», sagte der künstlerischer Leiter des Klinik-Clown-Vereins, Reinhard Horstkotte, in Berlin. Wegen der verfügten Beschränkungen dürften die speziell weitergebildeten Künstler nicht mehr auf den Kinderstationen und in Pflegeeinrichtungen anwesend sein. Täglich gehen die Clowns morgens um 10.00 Uhr im Facebook-Livestream auf Visite. Montag bis Donnerstag sowie sonntags laden sie um 19.00 Uhr zur Gute-Nacht-Visite. Zudem sorgen die Clowns auf dem «Rote Nasen»-Youtubekanal für ausgelassene Stimmung. WEIN STATT KLOPAPIER Toilettenpapier ist in Spanien out, die Regale in den Supermärkten sind voll davon. Dafür horten die Spanier jetzt allem Anschein nach Bier und Wein, Oliven, Kartoffelchips und Schokolade - oder sie konsumieren zur Bewältigung der strikten Ausgangssperre, die wegen der Corona-Krise seit dem 15. März im ganzen Land gilt, größere Mengen dieser Produkte. Viel, viel größere Mengen. Nach einer Studie der Fachzeitschrift «Inforetail» kauften die Spanier vorige Woche fast 80 Prozent mehr Bier sowie gut 60 Prozent mehr Wein als in der Vorwoche. Bei den Oliven hätten sich die Verkaufszahlen bei einem Plus von nahezu 94 Prozent sogar fast verdoppelt. Hochkonjunktur haben auch Kartoffelchips, Schokolade, Speiseeis und Anchovis - mit Anstiegen zwischen 76 und 87 Prozent. BESSERE LUFT DANK CORONA? Der Präsident des Umweltbundesamtes (Uba) hat vor voreiligen Schlüssen zur Wirkung der Corona-Krise auf die Umweltverschmutzung gewarnt. Weniger Verkehr und weniger Industrieprozesse wirkten sich «selbstverständlich positiv» auf die Luftqualität aus, sagte Uba-Chef Dirk Messner der Deutschen Presse-Agentur. «Noch ist der Zeitraum aber zu kurz, um valide Schlüsse zu ziehen. Das geht erst seriös, wenn alle Daten vollständig und über mehrere Wochen vorliegen.» Grenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit bezögen sich auf das Jahresmittel, nicht auf wenige Wochen, zudem seien die Beschränkungen in den Bundesländern sehr unterschiedlich. JUSTIZ IM NOTBETRIEB Die Corona-Krise zeigt aus Sicht des Deutschen Richterbundes die Lücken bei der IT-Ausstattung der Gerichte sowie die begrenzten Kapazitäten der Datennetze. Ein Ausweichen auf Online-Verhandlungen etwa in Zivilprozessen wäre kurzfristig kaum umsetzbar, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn der Deutschen Presse-Agentur. In vielen Gerichtssälen fehle es an entsprechender Technik. Für Bund und Länder solle die Corona-Krise deshalb Anlass für einen Digitalisierungsschub in der Justiz sein. Derzeit sei alle Kraft darauf gerichtet, den Rechtsstaat und die Justiz im Notbetrieb handlungsfähig zu erhalten, sagte Rebehn. In dringenden Strafsachen und in Eilverfahren sei ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet. Weil ein Großteil der Verfahren jetzt pausieren müsse, sieht der Richterbund eine große Verfahrenswelle nach dem Ende der Krise auf viele ohnehin unterbesetzte Gerichte zurollen.