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Machtkampf in Belarus: Verteidigungsminister warnt die Nato

In Litauen stehen nicht weit von Belarus Militärübungen der Nato an. Die Staatsführung in Minsk reagiert gereizt. In der Bevölkerung sorgt das Vorgehen der Behörden gegen Journalisten für Unmut.

Minsk (dpa) - Im Machtkampf in Belarus (Weißrussland) hat das Verteidigungsministerium in Minsk die Nato vor anstehenden Militärübungen gewarnt. «Wir sind gezwungen, militärische Gegenmaßnahmen zu ergreifen», sagte Verteidigungsminister Viktor Chrenin am Freitag Staatsmedien zufolge in Minsk. Ein solches Vorgehen habe die Armee bereits bei der Kampfausbildung vor wenigen Wochen an der Nato-Grenze gezeigt. Im Nachbarland Litauen trafen zuvor neue Einheiten der US-Armee für militärische Übungen ein. Der unter Druck geratene Staatschef Alexander Lukaschenko hatte der Nato vorgeworfen, Truppen an der Grenze zu Belarus zu stationieren.

Die geplanten größeren Militärübungen im Herbst in Litauen dürften die Spannungen in der Region weiter erhöhen. Daran werden neben den US-Soldaten auch Truppen anderer Nato-Staaten teilnehmen. Darüber wurde nach Angaben des litauischen Verteidigungsministeriums auch der Militärattaché der belarussischen Botschaft in Vilnius informiert. Betont worden sei bei dem persönlichen Treffen, dass sämtliche Übungen in Litauen defensiver Natur seien und sich nicht gegen irgendeinen Staat inklusive Belarus richteten.

Erst am Vortag hatte Lukaschenko der Nato «unfreundliche Schritte» vorgeworfen. Das Militärbündnis wies zuletzt zurück, seine Truppen an die Grenze zu Belarus verlagert zu haben. Der Staatschef, den Kritiker als «letzten Diktator Europas» bezeichnen, hatte einen Teil der Armee «in höchste Kampfbereitschaft» versetzen lassen.

Gegen den Präsidenten gibt es mittlerweile seit fast vier Wochen täglich neue Proteste. Auslöser war die Präsidentenwahl am 9. August, bei der sich der 66-Jährige mit 80,1 Prozent der Stimmen für eine sechste Amtszeit bestätigen ließ. Die Opposition hält dagegen Swetlana Tichanowskaja für die wahre Siegerin. Die Abstimmung steht international als grob gefälscht in der Kritik.

Auch am Freitag gab es landesweit neue Aktionen. Seit Beginn des neuen Semesters in dieser Woche nehmen viele Studenten an Universitäten daran teil. Es kam immer wieder zu Festnahmen. Am Donnerstag wurden dem Innenministerium zufolge landesweit 26 Demonstranten festgenommen. Mehr als 800 Menschen hätten sich an den Aktionen beteiligt. Weitaus mehr Leute hätten sich Demonstrationen für Lukaschenko angeschlossen, hieß es. Für kommenden Sonntag rief die Opposition zu neuen Massenprotesten in der Hauptstadt Minsk auf.

Für Unmut sorgte zuletzt das massive Vorgehen der Behörden gegen Journalisten. Auch einem Kamerateam der ARD wurde die Akkreditierung entzogen. Erst am Dienstag waren sechs belarussische Medienvertreter festgenommen worden. Ihr Fall wurde am Nachmittag vor einem Gericht behandelt. Einige kamen danach wieder frei.

Unterdessen haben Unbekannte die Internetseite des Innenministeriums gehackt. Sie war auch am Freitag zunächst nicht abrufbar. Medien in Belarus berichteten, dass Unbekannte Lukaschenko und Innenminister Juri Karajew auf die Fahndungsliste gesetzt hätten. Ihnen würden «Kriegsverbrechen gegen das belarussische Volk» vorgeworfen, hieß es in der manipulierten Liste mit gesuchten Personen.

Die Oppositionelle Tichanowskaja wollte am späten Nachmittag bei einer Online-Sitzung des UN-Sicherheitsrates für internationale Unterstützung für die Demokratiebewegung werben. Der Nachbar Russland hatte Lukaschenko zuletzt demonstrativ den Rücken gestärkt. Für einen friedlichen Machtübergang wurde in Belarus ein Koordinierungsrat mit Vertretern der Zivilgesellschaft gegründet.

Eines der prominenten Mitglieder, der frühere Kulturminister Pawel Latuschko, bot Russland direkte Gespräche an. «Ich bin bereit, nach Moskau zu gehen, um mich mit russischen Politikern zu treffen und sie mit Informationen zu versorgen», sagte er bei einem Besuch in Litauen. Demnach habe der Koordinierungsrat gehofft, dass Moskau eine neutrale Position einnehmen und die Meinung der belarussischen Öffentlichkeit anhören werde. Doch sei dies bisher nicht geschehen. «Russland unterhält nur Kontakt zu den derzeitigen Behörden», sagte Latuschko der Agentur BNS zufolge in Vilnius.

Latuschko betonte zugleich, dass die politische Krise in Belarus in erster Linie eine interne Angelegenheit des Landes sei. «Ihre Lösung hängt von der belarussischen Gesellschaft und der gegenwärtigen Regierung ab», sagte er. «Wir bemühen uns nach Kräften, die Behörden davon zu überzeugen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen».

Unterdessen rechnet Polen mit vielen Flüchtlingen aus Belarus, sollte sich die politische Situation dort verschärfen. «Kurz gesagt: Es geht um eine Migrationswelle», sagte Präsident Andrzej Duda in Warschau. Das Kabinett werde sich mit der Frage befassen, wieweit die einzelnen Sicherheitsdienste und Behörden, insbesondere aber der Grenzschutz, auf diese Situation gefasst seien.

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