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) Spielregeln geändert: Mexikos befremdliche Energiepolitik Von Nick Kaiser, dpa

Mexikos Präsident findet Windräder hässlich und schiebt erneuerbaren Energien einen Riegel vor. Vorm Inkrafttreten des neuen Freihandelsabkommens gibt es dafür harte Worte vom US-Botschafter. Eine betroffene deutsche Firma zeigt Verständnis für die Maßnahme.

Mexiko-Stadt (dpa) - Dem mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador ist es seine erste Auslandsreise nach eineinhalb Jahren Amtszeit wert: Das neue nordamerikanische Freihandelsabkommen USMCA tritt am Mittwoch in Kraft. Um das zu feiern, will López Obrador sich in Washington mit US-Präsident Donald Trump und dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau treffen. Mexiko erhofft sich vom Nafta-Nachfolger noch mehr Investitionen aus dem nördlichen Nachbarland USA - schon jetzt sein wichtigster Handelspartner.

Mit ihrer Energiepolitik torpediere die Regierung von López Obrador - oft Amlo genannt - dieses Ziel jedoch selbst, meint der US-Botschafter in Mexiko, Christopher Landau. «Wenn man wirklich Investitionen anlocken will, kann man nicht die Spielregeln ändern», sagte der Diplomat vergangenen Donnerstag Vertretern der mexikanischen Industrie. «Ich kann nicht lügen und sagen, es sei ein günstiger Moment, in Mexiko zu investieren.»

Mit der Änderung der Spielregeln sind neue Richtlinien des Energieministeriums vom 15. Mai gemeint, die inzwischen von einem Richter angehalten wurden. Der Anschluss neuer Anlagen, die erneuerbare Energien produzieren, wurde darin bis auf weiteres verboten. Begründung: Netzinstabilität in der Corona-Krise.

Amlo erweckt allerdings den Eindruck, als gehe es ihm eher darum, den hoch verschuldeten staatlichen Erdölkonzern Pemex zu stärken. Der Bau einer neuen Raffinerie gehört zu einer Handvoll von Großprojekten, die der Linkspopulist mit besonderem Eifer vorantreibt.

Ende März veröffentlichte er ein Video von sich im Bundesstaat Baja California. Der Präsident zeigt darin auf Windkraftanlagen, die hinter Hügeln zu sehen sind. Diese verschandelten die Natur, meint er. Seine konservative Vorgängerregierung hätte ihm zufolge nie erlauben dürfen, dass sie gebaut würden - noch dazu von Privatfirmen. «Nie wieder Genehmigungen», sagt Amlo, «für visuelle Verschmutzung.»

Seitdem hat er in seinen täglichen Pressekonferenzen mehrmals gegen das spanische Unternehmen Iberdrola, das unter anderem Wind- und Solarparks in Mexiko betreibt, gewettert. Diesem wirft Amlo vor, mithilfe von korrupten früheren Regierungen Mexikos ein Monopol aufgebaut zu haben. «Möge es laut und weit gehört werden: Mexiko ist kein Land, das erobert werden kann. Sie werden nicht kommen, um uns auszuplündern. Das ist vorbei.» Iberdrola äußert sich dazu nicht.

Die europäischen Handelskammern in Mexiko drückten am 21. Mai in einem gemeinsamen Brief an die mexikanische Wirtschaftsministerin Graciela Márquez ihre «Verwunderung» darüber aus, dass Mexiko seine Nutzung erneuerbarer Energie bremse. Auch, weil dies nicht durch die gesetzlich vorgeschriebenen Kanäle beschlossen worden sei, schade es dem Vertrauen von Investoren, nicht nur im Energiebereich, sehr.

Per Verfassungsreform hatte Mexiko im Jahr 2013 seinen bislang streng regulierten Energiemarkt geöffnet. Privatunternehmen werden seitdem an der Erdölförderung und Stromerzeugung beteiligt, die Rohstoffreserven und die Stromnetze blieben allerdings unter staatlicher Kontrolle.

Seitdem gingen auch deutsche Firmen nach Mexiko - etwa Goldbeck Solar aus Baden-Württemberg im Jahr 2017. Dessen erste größeren Projekte dort lägen nun erst einmal auf Eis, erzählt Alexander Foeth, Manager für Geschäftsentwicklung für Goldbeck in Mexiko.

Er zeigt Verständnis für den neuen Fokus der Regierung auf Netzsicherheit. Das mexikanische Netz sei schon lange in einem sehr schlechten Zustand. In den vergangenen fünf bis sechs Jahren seien mit rund fünf Gigawatt eine große Menge Strom aus erneuerbaren Quellen hinzugekommen. «Und mit Covid kam sozusagen der K.O.-Schlag» - die Schwankung durch die gesunkene Nachfrage sei sehr schlecht für das Netz. Daher habe der Staat die Reißleine gezogen.

Er rechne damit, dass nun höhere Netzgebühren, stärkere staatliche Regulierung und ein Ende von Subventionen auf die Anbieter erneuerbare Energien zukommen, sagt Foeth. Für Mittelständler wie Goldbeck sei es zu begrüßen, dass die Karten neu gemischt würden. Allerdings: «Womit wir ein Problem haben, ist mit der Art und Weise, wie das angegangen wird.» Amlos öffentliche Polemik sei «nicht nett» und mache es schwerer, Kunden von Solarenergie zu überzeugen.

Die Regierung von López Obrador fühle sich offensichtlich nicht der Förderung erneuerbarer Energien verpflichtet. «Aber ich sehe die Solarwirtschaft so stark hier in Mexiko, und das Potenzial ist so riesig, und der Bedarf ist ja auch noch immens - dass das nicht zu stoppen sein wird», sagt Foeth. Goldbeck Solar werde daher bleiben.