Die Verbreitung des Coronavirus ist nicht mehr zu stoppen. Wohl aber lässt sie sich verlangsamen, und darauf liegt nun weltweit der Fokus. Die Begründung dafür ist einfach: Infizieren sich innerhalb kürzester Zeit viele Menschen mit dem Virus, sind die Gesundheitssysteme schnell überlastet. Infizieren sie sich über einen längeren Zeitraum, können alle behandelt werden.

Um die Verbreitung zu drosseln wird deswegen weltweit das öffentliche Leben heruntergefahren. Großveranstaltungen wie der Hamburger Frühlingsdom, der CDU-Sonderparteitag, die Londoner Buchmesse und das amerikanische Film- und Musikfestival South by Southwest sind abgesagt. Millionen von Menschen reduzieren ihre täglichen Wege – sie kaufen seltener und dafür mehr ein, sie arbeiten von zu Hause, sie gehen abends weniger aus, in vielen Ländern bleiben Kindergarten- und Schulkinder zu Hause, Politiker wie Bürger streichen ihre Geschäfts- und Urlaubsreisen. Infolgedessen hoben schon im Februar 4,3 Prozent weniger Flüge ab im Vergleich zum Vorjahr, im März werden noch mehr Flüge gestrichen werden.

Das alles stellt die Wirtschaft auf eine gewaltige Probe, Erinnerungen an die Finanzkrise in 2008 und 2009 werden wach. Doch die Corona-Pandemie hat auch einen positiven Nebeneffekt: Zum ersten Mal seit der Finanzkrise könnten die globalen CO2-Emissionen wieder fallen. Das würde der Weltgemeinschaft wichtige Zeit kaufen, um dringend nötige Klimaschutzmaßnahmen in die Wege zu leiten. Die diesjährige Klimakonferenz COP26 in Glasgow wird als eine der letzten Gelegenheiten gesehen, um das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 noch rechtzeitig umzusetzen.

In den vergangenen zehn Jahren stiegen die Emissionen trotz der vereinbarten Klimaziele jährlich um circa ein Prozent, also um rund 317 Megatonnen pro Jahr. Die kanadische Klimawissenschaftlerin Corinne Le Quéré schätzt, dass die Maßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus zwar den Anstieg der Emissionen verlangsamen. Damit sie aber sinken, sei eine massive Reduktion nötig. „Das ist plausibel, aber ich glaube nicht, dass wir das zum jetzigen Zeitpunkt sagen können“, sagte sie der britischen Zeitung The Guardian.

Der Blick nach China, wo die Pandemie ihren Anfang nahm, zeigt hingegen: Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionen können sich massiv auf die Treibhausgasemissionen auswirken. Sie könnten für eine Einsparung von satten 200 Megatonnen CO2 gesorgt haben, schätzt der Pekinger Thinktank Crea. Demnach sank die Schadstoffbelastung durch Flüge um 37 Prozent, die Produktion von Ölraffinerien nahm um 34 Prozent ab und der Kohleverbrauch von Kraftwerken brach um 36 Prozent ein. Fraglich ist allerdings, ob dieser Effekt nachhaltig ist. Wahrscheinlicher ist, dass die chinesische Regierung die Wirtschaft ankurbeln wird, um den Verlust durch die Krise wettzumachen.

Während China sich langsam aufrappelt, macht sich der Rest der Welt erst noch auf das Schlimmste gefasst. Besonders die Flugindustrie wird unter den abgesagten Veranstaltungen, gestrichenen Urlauben und Einreiseverboten leiden. Der Branchenverband Iata rechnet für dieses Jahr mit 100 Milliarden Euro Umsatzeinbußen für die Fluggesellschaften. Die Lufthansa Gruppe kündigte an, die Kapazitäten der Linien Lufthansa, Austrian, Swiss, Eurowings und Brussels in den nächsten Wochen um bis die Hälfte zu reduzieren. Man erwäge, die gesamte Airbus A380 Flotte – 14 Flugzeuge – vorübergehend am Boden zu lassen. Die seit Langem kriselnde Fluggesellschaft Alitalia fürchtet um ihre Existenz, die britische Fluggesellschaft Flybe musste bereits Anfang März ihren Betrieb einstellen.

Weniger Flüge bedeuten weniger Treibhausgasemissionen, von Dauer ist das aber – wie in China – nicht. „Das Coronavirus führt jetzt zu einer generellen Entschleunigung“, sagt Karsten Smid, Klimaexperte der Umweltschutzorganisation Greenpeace. „Der Rückgang der CO2-Emissionen im Flugverkehr ist aber ein kurzfristiger Effekt.“ Langfristig könnten die wirtschaftlichen Einbußen sogar dafür sorgen, dass die Fluggesellschaften den Klimaschutz hintenanstellen. Das kann freiwillige Maßnahmen wie die Kompensation von Emissionen und die Investition in kraftstoffsparende Maschinen betreffen. Ein Antrag der FDP-Bundestagsfraktion zeigt aber: Auch politisch bereits getroffene Vereinbarungen sind nicht sicher.

Konkret geht es um die zum 1. April geplante Erhöhung der Luftverkehrssteuer. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch, Vorsitzender der Parlamentsgruppe Luft- und Raumfahrt, hatte bereits gefordert, die Erhöhung für unbestimmte Zeit auszusetzen. In dem FDP-Antrag heißt es nun: „Es ist davon auszugehen, dass eine derartige Erhöhung den Luftverkehr, als eine am stärksten vom Coronavirus betroffenen Branchen, weiter wirtschaftlich schwächen wird und Arbeitsplatzverluste bevorstehen.“ Die Erhöhung müsse folglich ausgesetzt werden. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft fordert außerdem, Bund und Länder sollten zeitweise Fixkosten wie die Luftsicherheitsgebühren übernehmen, um die Liquidität der Fluggesellschaften zu sichern. Thomas Bareiß (CDU), Tourismusbeauftragter der Bundesregierung, hat bereits Hilfen zugesagt. In diesem Licht scheint auch die Einführung einer europaweiten Kerosinsteuer in weite Ferne zu rücken, die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen noch Ende letzten Jahres in Aussicht gestellt hatte.

Wenn die Auswirkungen des Coronavirus anhalten, erschwert das zudem die Arbeit der Klimaschützer selbst. In Vorbereitung auf die Klimakonferenz im November sind diverse Vorbereitungstreffen geplant, die nun zu platzen drohen. Der Klimaexperte Karsten Smid sieht die Zielsetzungen der einzelnen Länder davon aber unberührt: „Bisher haben die Regierungen trotz ihrer Versprechungen von 2015 noch nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, und das muss sich jetzt ändern, unabhängig davon, ob die COP26 im November in Glasgow zusammentritt oder nicht.“