Liebe Leserinnen und Leser,

haben Sie am vergangenen Sonntag wie rund dreißig Millionen Menschen in Deutschland den Wahlabend vor dem Fernseher verbracht? Dann sahen Sie vielleicht, wie ein strahlender FDP-Chef mit seiner Entourage vor die Kameras trat. Haben Sie den Fehler gefunden? Der Bildausschnitt zeigte: sechs Herren in dunklen Anzügen.

Fairerweise muss man sagen, dass links und rechts der Herrenrunde auch jeweils eine Frau stand, die die Kamera nicht erfasste. Doch die Szene passt ins Bild: Im neu gewählten Bundestag sind Frauen – die ja bekanntlich die Hälfte der Bevölkerung ausmachen – klar in der Minderheit. Gerade mal ein Viertel der FDP-Abgeordneten ist weiblich, die CDU glänzt wenig mit ähnlichen Zahlen – und bei der AfD sind sogar nur neun von 87 Abgeordneten Frauen. Grüne und Linke dagegen lassen sich mehrheitlich weiblich vertreten. Insgesamt liegt der Frauenanteil im Bundestag für die angebrochene Legislaturperiode bei mageren 35 Prozent.

Bei der Verteilung von Macht sind wir auch nach der 16-jährigen Kanzlerinnenschaft von Angela Merkel noch weit von gleicher Teilhabe der Geschlechter entfernt. Die Berliner Erklärung – ein deutschlandweites Gleichstellungsbündnis – verschickte deswegen gerade eine Pressemitteilung, in der sie vor „männlicher Dominanz in der Regierungsbildung“ warnte und kritisierte, dass Männer wichtige Ministerien schon im Vorfeld von Sondierungsgesprächen für sich reklamierten.

Dabei ist es im Angesicht der Klimakrise dringender denn je, dass die Perspektiven von Frauen in die Politik einbezogen werden, dass sie gleichberechtigt mitentscheiden und -gestalten. Nicht nur, weil das gerecht ist, sondern auch, weil unterschiedliche Expertisen und Lebenswirklichkeiten zu besseren Entscheidungen führen, wie Studien immer wieder belegen.

Da passt es, dass sich die neue Ausgabe des Greenpeace Magazins genau darum dreht – um Einfluss und Gerechtigkeit und den Mut vieler Frauen, die weltweit für eine bessere Zukunft kämpfen. Wir berichten von Aktivistinnen, die gegen heftige Widerstände für ihre Überzeugungen eintreten, und erinnern an Pionierinnen der Umweltbewegung. Wir beleuchten, wie die Klimakrise und andere Katastrophen unserer Zeit Ungerechtigkeiten verstärken, und analysieren, wie eine gerechtere Teilhabe und ein neuer Stil helfen können, Krisen zu bewältigen. Einige Spitzenfrauen, die erfolgreich Politik und Wirtschaft verändern, – die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern etwa, die neue WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala und die Pariser Bürgermeistern Anne Hidalgo – stellen wir Ihnen vor. Und die Anwältin Rizwana Hasan aus Bangladesch, die Umweltverbrechen zu einem Fall für den Internationalen Strafgerichtshof machen will, schmückt als ikonisiertes Porträt unser Cover.

Vielfältig geht es auch im „Teil 2“ des Magazins weiter. Zweimal reisen wir in die Tropen: Wir begleiten eine Minensucherin in Kolumbien, die Menschenleben rettet, indem sie die gefährlichen Hinterlassenschaften des jahrzehntelangen Bürgerkriegs entschärft. Und wir berichten über flüchtende Tiere, in deren tropischem Lebensraum es aufgrund des Klimawandels so heiß wird, dass die artenreichste Region der Welt biologisch zu verarmen droht.

Auch das kleine Dorf Pödelwitz südlich von Leipzig kämpft gegen den Exodus. Der Ort war bereits totgesagt, denn wie viele andere vor ihm sollte er der Braunkohle weichen. Dem Bagger ist das Dorf in letzter Sekunde von der Schippe gesprungen und ringt nun um eine neue Zukunft. Wir begleiten die Anwohnerinnen und Anwohner dabei in einer neuen Serie.

In Deutschland hat ganz untropisch der Herbst begonnen, und so werden die wetterfesten Jacken wieder aus dem Schrank geholt. Wer eine neue braucht, sollte vorher lieber das Greenpeace Magazin lesen: Viele Outdoor-Jacken enthalten oft problematische Chemikalien. Dem gehen wir nach. Und in unseren festen Rubriken berichten wir über gestresste Blauwale, den historischen Antarktisvertrag, schwerwiegendes Aluminium – und blicken in unserer Fotoreportage auf einen See der Erinnerungen in Iran.

Im Namen der gesamten Redaktion wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre!

Unterschrift

Frauke Ladleif
Redakteurin